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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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es ist, arm zu sein, ja«, gab er zurück und
wanderte auf der Suche nach ein wenig Dung, den frühere Reisende
zurückgelassen hatten, in dem kleinen Fleck herum, der eine Oase
sein wollte.
    »Ich liebe dich, Hanse«, murmelte sie und genoß
es, ihn einfach zu beobachten. Zuzusehen, wie er sich bewegte. Die
Nacht brach herein, und die Nacht war Hanses Zeit. In der Nacht
bewegte er sich am sichersten.
    Die Straßen sind mein Zuhause, hatte er einmal einer
anderen, erfahreneren und klügeren Frau gesagt, die sich als
klug genug erwiesen hatte, um ihn auszunutzen. Sie haben mich
geboren und ernährt. Gegenüber Mignureal gab er sich
weniger großspurig, denn bei ihr hatte er es nicht nötig.
Bei ihr konnte er entspannter und fast er selbst sein. Das fiel
Hanse, genannt Nachtschatten, aus Freistatt, das man die Welt der
Diebe nannte, nicht leicht.
    Mignureal saß ganz ruhig neben dem Brunnen und sah zu, wie
er ging und sich bewegte. Das hatte sie schon seit Jahren so
unauffällig wie möglich getan. Sie liebte es, ihn so zu
beobachten. Er bewegte sich so sehnig und geschmeidig, so
gleichmäßig, daß es schien, als würde er
dahingleiten und kaum den Boden mit den Füßen
berühren.
    »Hanse bewegt sich wie eine hungrige Katze«, hatte so
manch einer in Freistatt gesagt und war dabei vielleicht ein wenig
erschaudert. Aber eigentlich lief er gar nicht, Hanse glitt dahin. Bei jedem Schritt lösten sich die Sohlen seiner Halbstiefel
höchstens einen Fingerbreit vom Boden. Er trat mit dem
Fußballen auf, nicht mit der Ferse. Einige machten sich
darüber lustig, aber nur wenn Hanse nicht da war, denn dadurch
glitt er in einer wellenförmigen Bewegung dahin, die
merkwürdig anzusehen war. Die Höhergeborenen beobachteten
ihn mit einer ästhetischen Faszination – und einige voller
Schrecken. In die Faszination von höhergeborenen Frauen und
anderen, wie zum Beispiel Mignureal, mischte sich oft ein gewisses
Interesse, wenn auch ein widerwilliges. Sie hatte nie das gedacht
oder gesagt, was sich andere sagten: Dieser Hanse, dieser
Nachtschatten, war wie ein widerwärtiges aber irgendwie
sinnliches Tier.
    Mignureal beobachtete ihn jetzt so gedankenverloren, daß sie
zusammenzuckte, als er sprach.
    »Hmh. Also, es ist so, meine Liebe«, sagte er und glitt zu ihr zurück. »Entweder hat niemand das
Schild beachtet, oder es sind kürzlich andere Leute hiergewesen,
die den ganzen Brennstoffvorrat verbraucht haben. Wir werden kein
Feuer machen können. Pack also besser die Datteln, das harte
Brot und diesen fürchterlichen salzigen Trockenfisch aus. Ich
werde ein bißchen Bier von Blödarsch holen. Oh, Augenblick
mal. Geben wir zuerst einmal ihm etwas vom Brunnenwasser zu trinken,
Mignue.«
    Mignureal, die einen vollen Holzeimer mit einem Seil aus dem
Brunnen zog, sah ihn an. »Wieso denn?«
    Er wartete, bis sich ihre Augen trafen. »Nur für alle
Fälle. Er ist der Unwichtigste von uns fünf.«
    »Oh!« Sie erschauderte. Sie blickte mit erwachtem
Mißtrauen zuerst in den Eimer und dann auf Hanse. »Aber er
trägt unser gesamtes Gepäck!«
    Er nickte. »Von dem wir das meiste auf unsere Pferde packen
könnten. Und es würde mir absolut nicht gefallen, auf
diesem blöden Esel zu reiten. Wahrscheinlich müßte
ich ihn mit seinen Ohren lenken. Bleiben also nur noch du und
ich.« Er sah sie liebevoll an und breitete die Arme aus.
»Aber wenn du zuerst trinken würdest und irgend etwas mit
dem Wasser nicht in Ordnung wäre, an wen sollte ich mich dann
kuscheln, wenn es eisig wird?«
    »Oh… du!« brachte sie lächelnd hervor. Sie zog
die Kupferpfanne aus dem Gepäck des Onagers. Die lederne Tasche,
die daneben hing, klimperte wohltönend. Mignureal ließ den
Packesel saufen. »Es ist übrigens schon eisig geworden. Ich
wette, daß Schätzchen auch schön warm zum
Ankuscheln wäre.«
    »Iiihhh – aaahhh!« rief Hanse laut und löste
gleichzeitig die sorgfältig ausbalancierten und herrlich
prallgefüllten Ziegeniedersäcke vom Rücken des
Onagers. Die großen weißgesprenkelten Ohren des Esels
drehten sich nach hinten, aber er bequemte sich nicht dazu, den Kopf
zu wenden.
    Mignureal hatte recht. Es war bereits spürbar kalt geworden,
und obwohl sie beide nicht verstanden, warum das so war, wußten
sie doch, daß es bald mehr als nur eisig werden würde.
    Hanse hatte es noch gar nicht gemerkt. Nachdem er dem klimpernden
Beutel einen herzhaften Knuff verpaßt hatte, öffnete er
den prallgefüllten Sack und zapfte etwas Bier ab. Der

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