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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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überzeugten Hanse davon, daß er
sich mittlerweile völlig von seinem Schock erholt hatte und
wieder vernünftig nachdenken konnte. Schätze, dann werde
ich mich jetzt doch an Anorislas wenden müssen. Er blickte
prüfend zum Himmel empor, jede Menge Zeit, dachte er und
betrat einen Weinladen, um sich zu erkundigen, in welcher Richtung
der Stadtteil von Firaqa lag, den man Das Viertel nannte. Drei Leute
wollten ihm unbedingt gleichzeitig den Weg erklären, und zwei
von ihnen versicherten ihm, daß er es gar nicht verfehlen
könnte.
    Hanse fragte sich, wie uralt diese altweiberhaften Phrasen wohl
sein mochten und machte sich auf den Weg zum Viertel, um Anorislas zu
suchen.
     
    »Ich heiße Hanse. Ich komme aus dem
Süden…«
    »Aus der Gegend um Freistatt?«
    »Aye«, antwortete Hanse wachsam, aber der lange und
dünne Anorislas nickte nur. »Ich habe ein paar Pferde. Im
Mädchenkopfwald haben mein Begleiter und ich einen großen
Mann mit einem riesigen bronzefarbenen Schnurrbart und einer
merkwürdigen Lederkappe getroffen. Er sah wie ein Soldat
aus.«
    Er machte eine kurze Pause. Der andere starrte ihn bloß aus
rätselhaften hellbraunen Augen an, die irgendwie geschwollen
wirkten, weil die Augenlider weit herabhingen. Er zeigte keine
Reaktion.
    Hanse verstand. Er lächelte ein wenig. »Er war genauso
vorsichtig wie du jetzt«, fuhr er fort, »und ich war
natürlich auch auf der Hut. Wir sind uns ganz langsam etwas
nähergekommen, und ich fragte ihn, wen ich hier aufsuchen
könnte, wenn ich die Pferde verkaufen wollte. Er empfahl mir, zu
Anorislas zu gehen.«
    »Hm-mhm. Was hat er sonst noch gesagt? Kennst du seinen
Namen?«
    »So ziemlich das letzte, was er tat, bevor wir uns trennten,
war, mir etwas zuzurufen. Er rief ›Yo!‹ Als ich anhielt und
mich im Sattel umdrehte, sagte er, sein Name sei Strick. Das schien
mir ein Freundschaftsbeweis zu sein, und ich nannte ihm ebenfalls
meinen Namen. Er sagte mir, ich sollte dich Häschen
nennen.«
    Endlich lächelte Anorislas, entblößte einen
angebrochenen linken Schneidezahn und nickte etwas Lebhafter. Er war
ein großer dürrer Mann, obwohl er um die Hüften herum
etwas füllig war. Seine großen Hände schienen von den
breiten Handgelenken mit den hervorstehenden Knochen herabzubaumeln.
Er trug langes braunes Haar, das sehr lockig war und einen Stich ins
Graue hatte. Die Locken fielen ihm in die Stirn über einer
dieser kleinen Nasen, mit denen die Götter manche Männer
ausstatten, so daß sie jungenhaft und irgendwie noch nicht ganz
fertig aussehen.
    »Das war Strick, in Ordnung. Wir können uns jetzt
entspannen, Hanse. Aber nenn mich nicht Häschen. Das ist
ein Scherz von diesem verfluchten Strick!«
    Hanse nickte und wartete.
    »Wie viele Pferde, Hanse? Oh, möchtest du einen Tropfen
Wein?«
    »Nein, danke. Wir haben vier Pferde und einen Onager zu
verkaufen. Ich habe Freistatt mit einem Pferd und dem Onager
verlassen. Ein Stückchen weiter im Norden habe ich von einem
Freund ein zweites Pferd bekommen.«
    »Das muß wirklich ein Freund gewesen sein!«
    »Na ja, er hat eine ganze Menge Pferde, und er war der
Meinung, mir noch etwas schuldig zu sein. In der Wüste wurden
wir dann von Tejana angegriffen, es waren vier. Sie nahmen uns die
Tiere weg und ritten davon. Ich habe sie mir wieder
zurückgeholt.«
    »Waaas?!«
    Hanse zuckte die Achseln. »Ich habe mir meine Pferde
zurückgeholt, und ihre auch gleich. Dieser Onager hat mir das
Leben gerettet!« fügte er hinzu, als er eine günstige
Gelegenheit sah, Enas’ Wert zu steigern.
    »Die Tejana, äh, hatten bestimmt etwas
dagegen.«
    »Aye.«
    Anorislas’ Kopf hüpfte ein wenig, während er leise
durch die Nase lachte. »In Ordnung, ich will nicht nachfragen.
Du bist jedenfalls mit sechs Pferden in Firaqa angekommen und
möchtest sie verkaufen. Ein sauberer Verdienst für dich,
was?«
    »Wohl kaum. Wir hatten etwas Silber dabei. Das habe
ich von diesen Hundesöhnen nicht zurückgekriegt.«
    »Oh. Tut mir leid. Ich hatte den Eindruck, du hättest
sie alle getötet.« Anorislas lächelte beinahe, wie
über einen müden Scherz.
    Hanse blickte unverwandt in diese hellbraunen Augen unter den
schweren Augenlidern und sagte: »Nicht alle.«
    Anorislas starrte ihn eine Zeitlang an, die Lippen ein wenig
gespitzt, und er sah wirklich sehr nachdenklich aus. »Ich werde
mir eine Notiz machen, daß ich nicht einmal daran denken darf,
so einem gefährlichen Mann gegenüber nicht völlig
ehrlich zu sein, Hanse aus

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