Diebin der Nacht
light?«
Sie antwortete ihm, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Ich gestehe, dem Ganzen wenig Beachtung geschenkt zu haben. Sie scheint jedoch in der Presse zu einer kleinen Sensation geworden zu sein.«
»Natürlich. Immerhin holt sich unsere Diebin ja das
Beste von den >oberen Vierhundert^ Hält uns alle zum Narren, indem sie uns mitten in unseren Abendgesellschaften beraubt. Als sie schließlich Caroline um ihr bestes Diamantenarmband erleichterte, war man sich ja wohl der Niederträchtigkeit Lady Moonlights gewiss.«
Seine forschenden Augen sandten eine Botschaft aus, die sie nicht deuten konnte.
»Das ist ein dummer Name für sie, vorausgesetzt, dass der Dieb überhaupt eine Frau ist«, meinte sie. Ihr Tonfall klang höflich, jedoch leicht gelangweilt.
»Sie ist so >ätherisch wie ein Mondstrahl, so schwer zu fassen wie ein Sumpfluchs<«, zitierte er die Zeitungen, und sie mussten beide lachen. Noch immer schienen seine grünlich blauen Augen jedes Detail ihres Gesichtes zu erforschen.
»Sie ist außerdem beschrieben worden«, fügte Belloch hinzu, »als eine Walküre von einer Frau, groß und stark. Ein gewöhnlicher Sterblicher soll ihr angeblich nicht gewachsen sein. Die einzigen Zeugen geben jedoch zu, sie nur kurz von hinten und im Dunkeln gesehen zu haben. Außerdem habe ich den Verdacht, dass die Presse nur so schändlich übertrieben hat, um diesen Fall zu einer Sensation aufzubauschen. Meiner Meinung nach ist sie eher zierlich und ausgesprochen geschickt.«
»Sie scheinen sich ziemlich intensiv mit dieser Sache auseinander zu setzen.«
»Ich habe großes Interesse an den Methoden und Techniken des Gesellschaftsdiebes, Miss Rillieux.«
»Wirklich? Wie amüsant.«
»Ja, nicht wahr?«
Er rückte ihr noch näher, bis sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte, der feucht und warm und süß war von dem Brandy, den er zuvor getrunken hatte. Ihre Panik kehrte zurück, und einen Moment lang fürchtete sie eine vernichtende Entlarvung - und zwar gleich hier und jetzt. Ihre Beine fühlten sich schwach an, und sie hätte sich gerne hingesetzt, sein Blick jedoch hielt sie mit der Autorität einer Gewehrmündung an ihrem Platz.
»Sehen Sie, Miss Rillieux, die geschicktesten Diebe arbeiten in Gruppen oder sogar in riesigen Syndikaten zusammen.« Seine Augen verengten sich. »Ich wäre nicht im Geringsten überrascht zu erfahren, dass unsere berüchtigte Lady Moonlight einst eine gewöhnliche Straßendiebin gewesen und mit einer Bande von ungehobelten Ganoven umhergestreift ist. Sie halten zusammen, diese Typen, und sie ziehen immer die Sicherheit der Ablenkungsmanöver vor, um ihre Aktivitäten zu verdecken. Vielleicht hat sie sogar an genau diesem Abend wieder zugeschlagen - während Ihr Onkel uns alle in seinen Bann gezogen hat.«
Sie schaute ihn an und war bereit, ihm mit Leugnen zu begegnen, obwohl sie sich eher danach sehnte wegzulaufen.
Was sie jedoch nicht erwartet hatte, war das großmütige Grinsen auf seinem Gesicht, als er ihren Blick erwiderte.
»Da ist er wieder«, flüsterte er mit fast verzücktem Gesichtsausdruck. »Dieser Blick - so voll des Vorwurfs -, so voll alter Wunden. Welchen Grund könnte eine junge Debütantin aus New Orleans wohl haben, verletzt auszusehen?«
Sie schaute weg und versuchte stattdessen, sich auf die Ballbesucher zu konzentrieren. Die Farben der Satinballkleider fingen an, vor ihren Augen durcheinander zu wirbeln. Schon im Erstarren begriffen ermahnte sie sich, keine Angst zu haben. Er hatte nichts gegen sie in der Hand. Er stellte lediglich Vermutungen an. Wie sie sich schon tausende Male selbst versichert hatte, würde sie das tun, was sie tun musste, um zu überleben. Sie hatte dies alles schließlich nur so lange ertragen, um die Hoffnung nicht zu verlieren, eines Tages ihren Bruder Bram wiederzufinden. Und wenn das erst geschehen war, würde er sie schon aus all diesem Dreck und diesen Lügen herausholen. Er würde dafür sorgen, sie wieder in Sicherheit zu bringen, und alles würde wieder gut sein. Dann hätten sich die Dieberei und die Angst, die sie ständig mit sich trug, gelohnt.
Dank dieser Erkenntnis gelang es ihr, die Panik in ihrem Herzen zu bezwingen.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie reden, Mr. Beiloch. Dieser ganze Unsinn von alten Wunden. Ich denke, Sie haben zu viel Brandy getrunken.« Sie schenkte ihm ein Lächeln.
»Wie kann es sein, dass ich Sie auf all den Abendgesellschaften noch nie bemerkt habe? Heute
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