Diebin der Nacht
von Männern um sie herum geben«, bemerkte Mystere in neutralem Ton. »Es ist jedoch ziemlich deutlich, dass Ihr Orbit oberste Priorität besitzt.«
»Nun ja, eines Tages werde ich wohl mit ihr spielen«, antwortete er ohne großes Interesse.
»Spielen Sie auch mit mir? Ist es das, was Sie tun, sich amüsieren?«
»Ja, aber andere Frauen, andere Spiele, Miss Rillieux. Sagen Sie mir, man hat mir gesagt, dass Ihr Onkel hoch in Mrs. Astors Gunst steht?«
Seine selbstgefällige Stimme ärgerte sie, daher antwortete sie nur knapp: »Sie ist ausgesprochen freundlich zu uns gewesen. Wir sind noch nicht lange in New York, wie Sie ja wissen.«
Darauf erwiderte er ihr mit einem harten, bellenden Lachen. »Mindestens zwei Jahre schon, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Andere Frauen, andere Spiele«, warf sie kühl zurück. »Ich denke, dass Sie mich da mit einer anderen verwechseln.«
Er ignorierte ihre Worte und seine Augen verengten sich wieder in Vermutungen. »Caroline hat mir erzählt, dass Ihr Onkel in seiner Jugend viel in der Welt herumgekommen ist.«
»Er ist ausgiebig gereist, ja. Das war jedoch, bevor ich in New Orleans zu ihm gezogen bin.«
»Ach ja, richtig. Nachdem Ihre Eltern von der ... Cholera hinweggerafft wurden, war es nicht so?«
»Gelbfieber. Das ist ein fürchterliches Problem in New Orleans. Im Jahre 1871 hatte es dort einen besonders schlimmen Ausbruch gegeben.«
Inzwischen hatten Mrs. Pendergast und Inspektor Byrnes sich in den Salon zurückgezogen, um einen detaillierten Bericht aufzusetzen. Mystere schaute so lange umher, bis sie Rillieux’ Blick auf sich zog, der zusammen mit Alice und Alva Vanderbilt an einem marmornen Sockel- tisch saß. Er nickte in ihre Richtung und Mystere versuchte, sich von Belloch davonzustehlen. Erneut jedoch hielt der Eisenbahn-Unternehmer sie mit stählernem Griff zurück.
»Ja, New Orleans ist eine bezaubernde Stadt«, fuhr er fort, obwohl sie offensichtlich den Wunsch hatte zu gehen. »Die Gegend leidet jedoch unter einem erbärmlichen Klima. Ich bin einmal beruflich dort gewesen. Verbrennen sie noch immer die Beast-Butler-Puppe?«
»Was ?«
»Was?« Sein Gesicht umwölkte sich. »Mit Sicherheit meinen Sie das ironisch?«
Gegen ihre Verzweiflung ankämpfend versuchte Mystere, den bekannten Namen irgendwo einzuordnen. Dann jedoch erinnerte sie sich an Rillieux’ Privatunterricht. »Oh, natürlich. Sie meinen Ben Butler, den Unionsgeneral, der während des Krieges New Orleans besetzt hatte.«
»Ja. Aber ich bin überrascht, dass jemand, der in New Orleans geboren ist, nicht sofort darauf kommt. Soviel ich weiß, ist er einer der am meisten gehassten Männer der Geschichte der Stadt. Er beschuldigte praktisch jede Dame in New Orleans, eine Hure zu sein.«
»Ich habe keine Erinnerungen an den Krieg, Mr. Bulloch. Sie vergessen mein Alter. Ich habe gerade erst mein Debüt gehabt«, erinnerte sie ihn.
»Miss Rillieux, die Zeit heilt nicht alle Wunden. Ich bin erst vor fünf Jahren dort unten gewesen. Er wurde noch immer von wirklich jedem beschimpft.«
Mysteres Unbehagen angesichts all dieser Fragen ging durch seine zähe Ausdauer in pure Empörung über. Mit einer beherzten Verrenkung befreite sie ihren Arm aus seinem Griff.
»Sie haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich ein dummes Geschöpf sein muss, Mr. Beiloch. Nun, wenn Sie mit Ihren Beleidigungen durch sind, werden Sie mich hoffentlich entschuldigen.«
Er war offensichtlich noch nicht fertig mit ihr, sie jedoch hatte mehr als genug von ihm. Sie wendete sich schnell ab, bevor er sie wieder aufhalten konnte. Sollte er es trotzdem versuchen, so hatte sie vor, um Hilfe zu schreien. Das würde zwar einen Skandal verursachen, aber sie konnte es nicht zulassen, ihn die Oberhand gewinnen zu lassen. Es lag zu viel Gefahr in ihm.
»Dumm ist nicht der Ausdruck, der mir bei Ihnen in den Sinn kommt«, spottete seine Stimme hinter ihr.
Ohne sich umzudrehen, versteifte sie ihren Rücken und überließ ihn seinem spöttischen Lachen.
Als ihre Kutsche an den großen, steinernen Torpfosten des Herrenhauses der Maitlands vorbeirollte, genehmigte Paul Rillieux sich eine Prise Schnupftabak. Er ließ seine silberne Schnupftabakdose wieder zuschnappen und sagte zu Mystere: »Nun denn, meine Liebe. Lass mich unsere neueste Errungenschaft begutachten.«
Sie hob ihren linken Unterarm ein wenig an. Unter ihrem Ärmelaufschlag aus Hermelin konnte man den Rüschenbesatz des bestickten Unterziehärmels ihres
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