Diebin der Zeit
aufgehalten hatte und warum: in Afrika, auf Nonas Spuren . und zugleich im Auftrag des Kelchs, mit dem er die Alte Rasse auf dem Schwarzen Kontinent mehren und ihren Einfluß verstärken wollte.
Die Nachricht hatte ihn während der Vorbereitungen zu einer Massentaufe erreicht und seine damaligen Pläne nachhaltig gestört: In Paris, so wußte der Bote einer Sippe zu berichten, die freundschaftliche Kontakte zu den Vampiren in der Seine-Stadt gepflegt hatte, mußte etwas Beispielloses vorgefallen sein!
Darauf aufmerksam geworden war man, als im direkten Umland der Hauptstadt zahlreiche völlig verwirrte und amoklaufende Dienerkreaturen für Aufsehen gesorgt hatten. Dienerkreaturen, die es nicht verkraftet hatten, dauerhaft von ihren Herren getrennt zu sein, und die bei späteren Verhören übereinstimmend aussagten, daß sie vom Untergang ihrer Herren überzeugt seien - zu kraß, zu niederschmetternd hätten sie alle, unabhängig voneinander, zur selben Stunde den unersetzlichen Verlust verspürt!
Die Angehörigen jener anderen Sippe hatten den Versuch unternommen, in der Stadt nach dem rechten zu schauen, aber etwas Unheimliches hatte sie in die Flucht geschlagen!
Landru war nie dazu gekommen, den damaligen, immer ungeklärt gebliebenen Geschehnissen nachzugehen. Erst nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs war er aus Schwarzafrika zurückgekehrt - die Verhältnisse dort hatten ihn viel länger aufgehalten als beabsichtigt. Und später hatten sich dann dringlichere Herausforderungen in den Vordergrund gespielt; zumindest hatte er sie damals als dringender eingeschätzt.
Damals .
Nein, heute!
Jetzt!
Die Zeit war keine Konstante mehr, sie war zu einer unberechenbaren Variablen geworden!
Landru erhob sich geschmeidig vom Ufergrund. Kurz irrten seine Gedanken zu einer besonderen Vampirin namens Salena, die sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht des abscheulichsten aller Verbrechen schuldig gemacht, aber bereits auf eine lange, finstere Wallfahrt begeben hatte, um . ja, um den »Messias der Vampire« zu finden!
Aus dem Mund der jemenitischen Vampirin hatte Landru erstmals überhaupt von einem »Gesandten« gehört, dessen Ankunft die Alte Rasse zu neuer Blüte führen sollte. Anfangs hatte er diese Idee belächelt und als vollkommen absurd abgetan, später jedoch .
Dort, von wo er kam, war Salena schon lange tot. Gejagt, gehetzt und umgebracht von ihm selbst - weil sie sich im Jahr 1723 von einem Sterblichen hatte schwängern lassen und Landru um jeden Preis verhindern wollte, daß der Bastard, den sie unter ihrem Herzen trug, das Licht der Welt erblickte.
Es war ihm gelungen. In Edo, dem späteren Tokio, hatte er die werdende Mutter und das Kind in ihrem Bauch getötet.
Anderthalb Jahrhunderte später hatte er es bei der Vampirin Creanna nicht mehr rechtzeitig verhindern können, daß ein Kind zweier Welten geboren wurde: Lilith Eden. Mit ihr hatte der Niedergang eines ganzen Volkes begonnen.
Das große Sterben der Vampire .
Landru setzte sich in Bewegung. Drei Stunden hatte er allein im Uferdickicht des Bachlaufs verbracht, und drei Stunden war es her, daß er Eucharius zu Rößlin geschickt hatte.
Die lange Abwesenheit seines treu-devoten Dieners verwunderte ihn ein wenig. In den letzten Tagen war der Zweiköpfige ihm wie eine läufige Hündin auf Schritt und Tritt gefolgt, penetrant in seiner Folgsamkeit.
Landru kannte sich, deshalb wußte er, daß er des Mißgeborenen bald überdrüssig sein würde. Aber noch duldete er dessen Unterwürfigkeit .
Noch während er auf die Wagen zuschritt, schwärmte vom Hügel herab eine plärrende Horde und stürmte das Lager!
Landru wußte sofort, daß es sich um Bewohner des nahen Dorfes handelte. Derbe Fäuste schwangen Werkzeuge wie Waffen. Viele trugen brennende Fackeln, die sie noch im Lauf gegen die Karren schleuderten, wo die Flammen sofort Nahrung fanden.
Landrus magische Einflußnahme auf die Mitglieder der Wanderschau erwies sich als fatal.
Benommen starrten die Akrobaten, Spielleute und Mißgeburten zu den Fanatikern, die wie ein Unwetter über sie kamen und sofort mit ihren Knüppeln auf alles einprügelten, was sie erblickten. Daß ihnen so gut wie keine Gegenwehr entgegenschlug, schien die Dörfler in ihrem Haß nicht zu beirren. Gegenseitig stachelten sie sich zu immer größerer Brutalität an. Blut floß. Selbst im Gras liegende Opfer wurden weiter mit Schlägen und Tritten traktiert.
Dabei ging alles furchtbar schnell.
Erste Wagen brannten bereits
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