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Diebin der Zeit

Diebin der Zeit

Titel: Diebin der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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leistete.
    Tatsächlich hatte die furchtbare Krankheit die Bewohner Saque-forts bis zum heutigen Tage verschont, und dies festigte die Stellung des Pfaffen ungemein. Zudem stopfte es den wenigen, die es unter anderen Bedingungen vielleicht doch einmal gewagt hätten, seinen Entscheidungen zu widersprechen, die Münder.
    Nein, wenn Goulue meinte, die Unbehausten, die auf der anderen Seite des Hügels lagerten, seien eine ernstzunehmende Gefahr, dann stimmte dies auch, und man mußte ihnen mit unversöhnlicher Härte entgegentreten! Sollten sie anderenorts Unfrieden stiften oder kleine Kinder aus der Wiege entführen - aber nicht hier!
    Immer mehr Männer, alt und jung, rotteten sich vor der Dorfkirche zusammen .
    *
    Eine Weile stand Eucharius vollkommen regungslos vor dem Wagen, aus dem nicht das leiseste Geräusch nach draußen drang. Dann überwand er die eigentümliche Scheu, die selbst einem Toten wie ihm hinderlich werden konnte. Entschlossen schlug er das vor dem Eingang herabhängende Tuch zur Seite.
    Die wenigsten Wagen waren so stabil und aufwendig gebaut wie der von Rößlin. Überwiegend handelte es sich um einfache, wackelige Karren, über die eine geteerte, regenabweisende Plane gespannt worden war.
    So auch hier. Lydia lebte nicht minder armselig und bescheiden wie die übrigen Attraktionen der Sensationsschau .
    Eucharius starrte direkt in ihr Gesicht, als er Kopf und Hals ins Innere des Wagens reckte. Er erschrak nicht, aber der Anblick der Frau bewegte ihn trotzdem.
    Sehr tief.
    »Tritt ein«, sagte sie. Es klang, als hätte sie ihn erwartet. Ihn, nicht Hermes!
    Eucharius blickte kurz zu seinem stummen Bruder, dessen Gewicht ihn zwang, den Körper nach rechts zu verlagern.
    Schließlich kletterte er ins Innere der fahrbaren Behausung und ließ das Tuch hinter sich wieder den Eingang verschließen.
    »Was ist passiert?« fragte Lydia. Sie saß kerzengerade auf einem Stuhl, der fest mit dem Wagenboden verschraubt war und wie der Thron eines verarmten Königs aussah, der statt des Zepters den Bettelstab zu schwingen gelernt hatte.
    Eine Weile war Eucharius unfähig, etwas zu erwidern.
    Er war Lydia - durch seines Bruders Neigungen - zwar oft nahe gekommen, aber so wie heute, so wie jetzt, hatte er sie noch nie gesehen. Sie wirkte völlig verändert. Ihr Körper schien von innen heraus zu leuchten, und das Netz ihrer Adern, sonst bläulich erkennbar, wurde von diesem unheimlichen Licht beinahe völlig überstrahlt und verschluckt.
    Lydia lächelte. »Hast du Angst?« Dann, noch ehe er etwas erwidern konnte, schüttelte sie den Kopf und gab sich selbst die Antwort: »Nein, einer wie du hat keine Angst mehr - vor nichts, außer .«
    »Außer?« Seine Stimme war brüchig wie altes Pergament gewor-den. Eucharius räusperte sich, aber auch danach kostete ihn jedes Wort Mühe. »Wie ... machst du das? Und warum -?«
    »Warum?« Sie forderte ihn mit einem Wink auf, näherzutreten. »Es geschieht immer, wenn ich hungrig bin. Wenn der Hunger überhand nimmt ... Du müßtest wissen, was das heißt. Bist du nicht deswegen zu mir gekommen? Ich beobachte dich, seit wir ihm begegnet sind. Seit er deinem Bruder -«, sie wies zu dem bei jeder Bewegung unkontrolliert hin und her baumelnden Kopf, »versagte, ein Diener zu werden wie du .«
    Eucharius rückte trotz eines nicht näher zu benennenden inneren Widerstands ein Stück näher auf Lydia zu.
    »Wieso siehst du als einzige, was geschehen ist?« fragte er.
    »Weil sein Zauber an mir nicht verfängt.«
    »Er ist ... mein Meister.«
    »Ich weiß.«
    Eucharius schwankte. Seine Hände fanden rechts und links Halt an schlichten Möbeln, aber sein Verstand, sein auf Sparflamme geschaltetes Gehirn konnte daraus keinen Nutzen ziehen. Dem Untoten war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Alles um ihn herum drehte sich. Die Wände schienen näherzurücken, ganz nah.
    Erst Lydias erneut aufklingende Stimme brachte Linderung und bot sich als Bezugspunkt zur Realität an. »Er ist ein Vampir. Ich kenne seine Art. Und ich weiß, was er euch ... dir angetan hat. Die Saat, die ihm jeden Menschen, so er es will, ausliefert, ist in dir aufgegangen. Nur in dir. Der Genickbruch hat verhindert, daß auch dein Zwilling teilhaben kann an dem, was nicht Leben und nicht Tod ist ... Soll ich dich erlösen? Soll ich auch dir das Gesicht nach hinten drehen, damit deine Hörigkeit zu diesem Mörder endet? Du kennst keinen Schmerz, es gibt also nichts, wovor du dich fürchten

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