Diebin der Zeit
»Langsam! Ich zeige dir, wie es für dich und mich schön wird!«
Dianne hat mir geraten, auch mit dem ungehobeltsten Flegel freundlich umzugehen. Ich versuche es.
Mein Kunde ist spindeldürr, aber als ich ihn entkleidet habe, erschrecke ich. Wie eine Lanze ragt mir sein Geschlecht entgegen. Es ist so gewaltig, daß ich meine Zusage an Cees jetzt schon bereue -aber es ist zu spät.
Das einzige, was mir ein wenig hilft, ist das Wissen, daß Diannes Augen bei mir sind. Ohne sie, die durch einen geheimen Spalt zwischen zwei Gemälden zu mir herüberstarren, könnte diese Stunde verheerend enden ...
Ich bezähme mich. Dieses Haus ist ein zu gutes Versteck, rede ich mir ein, um es zu gefährden. Ein idealer Wohnort für ein Monstrum, das sich ernährt wie ich .
»Faß es an!« keucht Andries - diesen Namen, ob echt oder nicht, hat er mir genannt. Und auch er spricht meine Sprache. »Es ist ganz heiß! Faß es an!«
Ich tue ihm den Gefallen. Zuvor habe ich mich meines Oberkleids entledigt. Als er meine kleinen Brüste unter dem Mieder sieht, meine ich Enttäuschung über das hektische Gesicht ziehen zu sehen.
Doch allzu lange währt dies nicht, und schon gar nicht löscht der Unterschied zwischen seinem Wünschen und der Wirklichkeit seine Erregtheit. Seine knochigen Fingern tauchen unter das Mieder und sind dort so ungeschickt wie vorhin zwischen meinen Schenkeln.
Diesmal stoße ich ihn nicht zurück. Diesmal zahle ich es ihm mit gleicher Münze heim. Wie von einem Skorpion gestochen lupft er das Hinterteil von der Bettstatt, als ich das schwere Gehänge unter seinem harten Pfahl umschließe und so grob begrapsche wie er soeben meine Brüste.
»Paß doch auf, du dummes Luder!« kreischt er weinerlich.
Ich entschuldige mich und gelobe wortreich Besserung. Doch danach ist sein Glied nur noch halb steif. Die Lust scheint ihm vergangen.
Trotzdem schaffe ich es, ihn mit den Händen zum Orgasmus zu bringen. Er gibt vor, daß es ihm genügt.
Ich bin noch einmal davongekommen, aber nachdem mein Gast gegangen ist, schlüpft Dianne ins Zimmer, und ich muß mir ihre Vorwürfe gefallen lassen.
Wir einigen uns darauf, daß sie mir zeigen wird, wie man einen Mann umgarnt, damit er dem Haus als Kunde erhalten bleibt. Also tue ich, als wäre ich ein Gast, den Dianne nach allen Regeln ihrer Kunst verführt. Die Freundin, die ich gleich an meinem ersten Tag in der Herengracht Nummer 13 gewann, nimmt ihre Lektionen ernst, darum läßt sie ihre Wäsche bis auf einen knielangen Unterrock fallen und steigt zu mir ins Bett. Ich selbst liege auf dem Rücken, die Arme und Beine wie zur Kapitulation ausgestreckt -eine Pose, die das Mannsvolk liebt, sagt meine Lehrerin. Auf diese Weise braucht ein Kerl nicht viel zu tun. Er liegt nur da und kann sich verwöhnen lassen.
So wie ich gerade.
Mit ihren Fingern, Lippen und den harten Spitzen ihre Brüste streicht Dianne sacht über mich hinweg und zeichnet unsichtbare Fi-guren auf meine Haut.
Ich möchte zerfließen.
Mein Stöhnen klingt so echt, weil es echt ist. Es läßt den wundervollen Körper über mir kurz innehalten. Im Schein der Kerzen wirft Dianne mir einen undeutbaren Blick zu. Doch statt sich von mir ab -zuwenden, steigert sie sich selbst in einen Sinnesrausch. Ihr Mund verweilt nicht lange saugend an den Knospen meiner Brüste, die kaum ein Drittel so groß sind wie die ihren. Plötzlich liegen wir uns in den Armen und küssen einander weit über das Maß einfacher Freundinnen hinaus. Unsere Zungen tun, was unsere Gedanken und Phantasien längst vorweggenommen haben.
Es ist unbeschreiblich. Ich wehre mich nicht. Tue ich denn Verbotenes?
Selbst wenn, es wäre mir egal!
Von dieser Nacht an sind Dianne und ich noch unzertrennlicher, fast könnte man sagen, ein Paar. Aber es bleibt dabei: Nur ihr gegenüber zeige ich soviel Verletzbarkeit. Keiner der Männer, die mir fortan in mein Zimmer folgen, vermag auch nur annähernd zu geben, was Dianne mir schenkt. Und ich ihr.
Niemand soll davon wissen .
Doch schon wenige Nächte später erfahre ich, daß dieses Haus kaum etwas für sich behält. Es hat noch andere Augen und Ohren als die, die sich hinter Venezianischen Spiegeln und Mauerspalten verbergen, und es ist eine große Lüge, daß es Cees gehört - auch wenn dieser bedauernswerte Narr selbst daran wohl glauben mag.
*
Vom Fenster meines Zimmers aus habe ich freien Blick auf den Kanal, der Amsterdam mit Haarlem verbindet. Fährschiffe bringen die Reisenden von hüben
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