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Diebin der Zeit

Diebin der Zeit

Titel: Diebin der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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und sie scheint zu wissen, was er mir an Vorteilen aufgezählt hat. Vermutlich ähneln sich seine Reden bei allen Frauen, die er mitbringt.
    »Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich eine Hure sein will«, sage ich. »Aber ich weiß nun, was du von mir erwartest, und das ist gut so. Laß mir eine Nacht Zeit. Morgen geb ich dir die Antwort, wie ich mich entschieden habe.«
    Diese Frist scheint ihm akzeptabel. Er gibt Camille einen Wink. »Sie wird dich bei einem Mädchen unterbringen, das Dianne heißt. Dianne spricht deine Sprache. Für die Dauer deines Aufenthalts wird sie sich um dich kümmern. Sie hat ungefähr deine Statur und kann dir an Kleidung leihen, was dir paßt. Du kannst dich überall frei bewegen. Wir beide sehen uns dann zum Frühstück, und es würde mich freuen, wenn du dich zum Bleiben entschließen könntest.«
    Mit diesen Worten verabschiedet er sich, und auch Camille geht, nachdem sie mich mit dem Mädchen bekannt gemacht hat, das sein Zimmer mit mir teilen soll.
    *
    Dianne ist blutjung. Sie hat helles, glattes, bis auf den Busen herabfallendes Haar und einen vollen Mund, mit dem sie ihre Favoriten gewiß verrückt machen kann. Als wir einander die Hand zum Gruße reichen, bin ich wie verzaubert von ihrer Natürlichkeit, die ich so nicht erwartet hätte, und sofort spüre ich, daß diese spontane Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht.
    Ein paar Worte, und das Eis zwischen uns ist gebrochen.
    Nicht nur ich bin verblüfft.
    Kaum hat Camille die Tür von draußen geschlossen, überfällt mich Dianne ganz ungeniert mit tausend Fragen über meine Herkunft. Aber noch ehe ich das geringste darüber sagen kann, wie es sich bei mir verhält, hat sie schon ihre halbe Lebensgeschichte ausgebreitet. Sie ist die pure Lebensfreude, und fast bin ich schon jetzt geneigt, Cees' schön-sprecherisches Angebot anzunehmen.
    Mein Körper bedeutet mir nicht allzuviel. Er kann nicht noch mehr beschmutzt werden, und man kann ihm nicht noch Schlimmeres antun als während der Inhaftierung in Prag, dessen bin ich überzeugt.
    Und während ich dies denke, versuche ich mich an den schattenhaften Besuch in meinem Kerker zu erinnern .
    ... es gelingt mir kaum.
    In Diannes Nähe, scheint es, hat die Bosheit, haben Abgründe menschlicher Seele keinen Platz!
    Sie kann nicht nur, fast ohne Atem zu holen, in einem fort nur reden, sie vermag auch mit ebensolcher Leidenschaft zuzuhören. Mühelos reißt sie mit ihrem Charme die Mauern ein, die ich um mein Innerstes errichtet habe. Keine ihrer Reaktionen auf meine Geschichte ist geheuchelt. Ohne Falsch nimmt sie mich in die Arme und spendet mir Trost.
    Bis zu diesem Moment wußte ich gar nicht, daß ich Trost brauche.
    Sie ist ein Waisenkind, das Cees aus Britannien mitbrachte, schon im vergangenen Jahr. Heute ist Dianne sechzehn, damals ...
    »Dieser Höllenhund!«
    Dianne dämpft meinen Zorn und erzählt, wie schlecht es ihr in der Familie, in der sie nach langem Heimaufenthalt aufwuchs, ergangen ist. Für sie, so versichert sie, war es wie eine Neugeburt, als sie die Chance erhielt, auch noch Geld für das zu bekommen, was ihr Stiefvater sich tagtäglich ohnehin mit brutaler Gewalt von ihr genommen hatte.
    »Wie sieht es hier mit Gewalt aus?« frage ich.
    »Wird einer von uns Gewalt angetan, muß es derjenige, der sich dazu hinreißen läßt, schwer büßen«, erwidert sie. »Die meisten, die herkommen, sind verheiratet und stadtbekannt. Sie wissen, wie sich ein Skandal auf ihr Privatleben und ihre Karriere auswirken würde. Cees läßt keinen im Zweifel, daß er alles zum Schutz der ihm anvertrauten Frauen täte .«
    Ich bin immer noch skeptisch.
    »Auch Mächtige wie die, die du beschreibst, können sich rächen«, sage ich. »Ich glaube nicht, daß Cees ein solches Haus -«
    »Seine Freunde sind mächtiger«, fällt Dianne mir mit solchem Nachdruck ins Wort, daß es keinen Sinn macht, hier und jetzt weiter darüber zu diskutieren.
    »Kam es denn schon einmal vor, daß er zu diesem Mittel greifen mußte?« frage ich.
    »Seit ich hier bin, einmal«, sagt Dianne, und ihre rehbraunen Augen scheinen sich zu verdunkeln.
    »Was ist geschehen?«
    »Eine von uns wurde von einem betrunkenen Gast während des Akts stranguliert. Als man sie fand, kauerte der Dreckskerl noch über ihr. Die Polizei holte ihn ab. Er wurde öffentlich bloßgestellt und schmort noch heute im Gefängnis!«
    »Was wurde aus der Frau?«
    »Sie überlebte ...« Dianne tippte sich an die Stirn. »Aber in ihrem

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