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Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition)

Titel: Dienstags bei Morrie: Die Lehre eines Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitch Albom
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erklärt warnend, daß Geld nicht das Wichtigste sei, entgegen der landläufigen Meinung auf dem Campus. Er sagt mir, es käme darauf an, »ein wirklicher Mensch« zu sein. Er spricht von der inneren Entfremdung der Jugend und der Notwendigkeit einer »gefühlsmäßigen Verbindung« mit den
Menschen um mich herum. Einige dieser Dinge verstehe ich, andere nicht. Es macht keinen Unterschied. Die Diskussionen liefern mir einen Vorwand, mit ihm zu reden, väterliche Gespräche, die ich mit meinem eigenen Vater, der immer wollte, daß ich Anwalt werde, nicht haben kann.
    Morrie haßt Anwälte.
    »Was willst du machen, wenn du das College verläßt?« fragt er.
    »Ich möchte Musiker werden«, sage ich. »Klavierspieler.«
    »Wunderbar«, sagt er. »Aber das ist ein hartes Leben.«
    »Ja.«
    »Ganz schön viele Gauner.«
    »Hab’ ich auch schon gehört.«
    »Trotzdem«, sagt er, »wenn du es wirklich willst, dann wirst du es
    schaffen, deinen Traum zu verwirklichen.«
    Ich möchte ihn umarmen, ihm dafür danken, daß er das sagt, aber ich kann meine Gefühle nicht zeigen. Statt dessen nicke ich nur.
    »Ich wette, du spielst Klavier mit ganz schön viel Schmiß.«
    Ich lache. »Schmiß?«
    Er lacht zurück. »Schmiß. Was ist? Sagt man das heute nicht mehr?«



Der erste Dienstag
Wir reden über die Welt
    Connie öffnete die Tür und ließ mich herein. Morrie saß in seinem Rollstuhl am Küchentisch und trug ein weites Baumwollhemd und Trainingshosen, die sogar noch weiter waren. Sie waren weit, weil seine Beine zu einer Größe unterhalb der normalen Kleidergröße verkümmert waren – wenn man seine Oberschenkel mit zwei Händen umfaßte, berührten sich die Finger. Hätte er stehen können, dann wäre er nicht größer als ein Meter fünfzig gewesen, und er hätte wahrscheinlich in die Jeans eines Sechstkläßlers gepaßt.
    »Ich hab’ dir was mitgebracht«, sagte ich und hielt eine braune Papiertüte hoch. Ich hatte auf meinem Weg vom Flughafen zu Morries Haus an einem Supermarkt angehalten und Truthahn, Kartoffelsalat, Nudelsalat und ein paar Bagels gekauft. Ich wußte, daß reichlich Lebensmittel im Haus waren, aber ich wollte auch etwas beitragen. Ich war so schrecklich machtlos, Morrie in irgendeiner anderen Hinsicht zu helfen. Und ich erinnerte mich daran, wie gern er aß.
    »Mensch, so viele köstliche Sachen!« sagte er mit seiner
Singsangstimme. »Na gut. Da mußt du sie auch mit mir zusammen essen.«
    Wir saßen am Küchentisch. Diesmal, ohne die Notwendigkeit, sechzehn Jahre Information nachzuholen, glitten wir rasch in die vertrauten Gewässer unseres alten Collegedialogs, wobei Morrie Fragen stellte, sich meine Antworten anhörte und mich wie ein Küchenchef unterbrach, um etwas einzustreuen, das ich vergessen hatte oder dessen ich mir nicht bewußt war. Er fragte nach dem Zeitungsstreik und konnte – seiner Natur gemäß – nicht verstehen, warum beide Seiten nicht einfach miteinander redeten und ihre Probleme lösten. Ich sagte ihm, daß nicht jeder so intelligent sei wie er.
    Gelegentlich mußte er unser Gespräch unterbrechen, um zur Toilette zu gehen, ein Vorgang, der einige Zeit in Anspruch nahm. Dann rollte Connie ihn in das Badezimmer, hob ihn aus seinem Stuhl und stützte ihn, während er in das Becherglas urinierte. Jedesmal, wenn er zurückkam, sah er müde aus.
    »Entsinnst du dich, wie ich Ted Koppel erzählte, daß mir sehr bald irgend jemand den Hintern abwischen müßte?« sagte er.
    Ich lachte. Einen solchen Augenblick vergißt man nicht.
    »Tja, ich glaube, der Tag steht nahe bevor. Das macht mir ganz schön zu schaffen.«
    »Warum?«
    »Weil es das endgültige Anzeichen für Abhängigkeit ist.
Jemand, der dir den Hintern abwischt. Aber ich arbeite daran. Ich versuche, es zu genießen.«
    »Zu genießen?«
    »Ja. Schließlich werde ich noch einmal ein Baby.«
    »Das ist eine außergewöhnliche Art, die Sache zu betrachten.«
    »Tja, ich muß jetzt das Leben auf außergewöhnliche Art betrachten. Machen wir uns da nichts vor. Ich kann nicht einkaufen gehen. Ich kann mich nicht um meine Bankgeschäfte kümmern, ich kann den Müll nicht raustragen. Aber ich kann hier sitzen, während meine Zeit immer mehr zur Neige geht, und mir das anschauen, von dem ich denke, daß es in einem Leben wichtig ist. Ich habe viele Stunden – und einen guten Grund –, das zu tun.«
    »Also«, sagte ich mit einem Zynismus, der zu einer Art Reflex geworden war, »findet man den Schlüssel zum Sinn des

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