Dienstags ist sie nie da - Roman
Hunderte von ihnen, die es kaum erwarten können. Alle hoffen auf einen Kuss ihrer Jugendliebe, der sie aus ihrer häuslichen Hölle in das Märchen entführt, das ihnen Enid Blyton einst mal versprochen hat. Natürlich sind sie dann alle enttäuscht, weil der Traumjunge sich in einen alten Knaben mit einem dicken Wanst verwandelt hat – und nun den Weg freimacht für einen armen, frisch geschiedenen, charmanten, jungen Mann wie mich, der die verzweifelten jungen Damen tröstet.«
Er öffnete die Augen und sah Matthew mit ernstem
Blick an. »Hoffentlich haben sie ein paar Pfund zugelegt, denn wenn sie darüber ein wenig deprimiert sind, ist die Dankbarkeit für ein bisschen männliche Aufmerksamkeit umso größer.«
Ian sprang von seinem Stuhl auf. »Also, worauf warten wir noch?«, fragte er Matthew und zog sich schon seinen Mantel über.
»Du kannst da nicht hingehen, du warst ja noch nicht mal auf dieser Schule«, protestierte Matthew.
»Ach was, scheiß drauf. Ich behaupte einfach, dass ich im vierten Jahr dazugekommen bin. Niemand erinnert sich an die Spätzugänge. Jetzt lass uns gehen!«
»Nein, wirklich. Ich will da nicht hingehen.«
»Warum denn nicht? Das wird ein Spaß, und du kannst mit ein paar alten Freundinnen zu Spandau Ballett tanzen. Oder besteht darin das Problem? Bist du mit ein paar hässlichen Fratzen ausgegangen und hast Schiss, dass ich sie jetzt kennenlerne? Ich wette, das ist es, oder?«
»Wenn du es unbedingt wissen willst: Ich bin während der Schule nur mit einem Mädchen gegangen. Das eigentliche Problem ist, dass wir uns nicht gerade im Guten getrennt haben«, erwiderte Matthew und war selbst überrascht, dass seine Wangen heiß wurden.
»Ach, komm schon, wie lange ist das denn her? Fast zwanzig Jahre? Sie wird verheiratet sein, Schwangerschaftsstreifen bis zu den Ohren haben und Gott und die Welt mit den Fotos ihrer kleinen Lieblinge beglücken. Sie wird sich einen Dreck um ein längst vergessenes Schultechtelmechtel scheren.«
Ian ließ sich auf die Knie fallen und umklammerte Matthews Arm. »Bring mich nicht um die Chance einer Vögelei, Kumpel, ich könnte dir das nie verzeihen«, flehte er.
Ians blanker Optimismus brachte Matthew schließlich zum Lachen. Dieser Typ war nicht gerade Gottes Geschenk an die Frauenwelt, auch wenn er ganz offensichtlich mit einem lockeren Mundwerk gesegnet war. Schwamm drüber, dachte er. Wer wusste schon, wann sich ihm wieder einmal die Gelegenheit bot, einen draufzumachen? Und Ian hatte recht. Selbst wenn Katy da wäre – das alles war vor so langer Zeit passiert, dass sie ihn entweder längst vergessen oder ihm das unschöne Ende zumindest verziehen hatte. Nicht, dass er es sich selbst je verziehen hätte. Sein Magen krampfte sich noch immer zusammen, wenn er an sie dachte. Was erstaunlich oft war, denn es gab immer wieder Momente, die ihn aus irgendeinem Grund an Katy erinnerten. Etwas Witziges wie ein kurzer Blick auf Mickymaus im Fernsehen. Katy hatte einen schon irrationalen Hass auf Mickymaus gehabt. »Ein arroganter Dämel, der erst einmal lernen sollte, anständig zu sprechen«, hatte sie oft jedem mitgeteilt, der mehr oder auch weniger an ihrer Meinung über den kleinen Superstar interessiert war.
»Also gut, meinetwegen, gehen wir. Aber wenn es blöd ist, hauen wir sofort ab. Und blamier mich nicht«, willigte Matthew schließlich ein und stand auf.
»Fantastisch! Move closer, move your body real close until iiiiiiiiiiiiit feels like we’re really making love … Woh… woh… woh.«
Ian sang den Schmuseklassiker der Achtzigerjahre, während er so tat, als würde er eng umschlungen eine arme anlehnungsbedürftige Frau begrapschen.
»Wahrscheinlich wird mir das ja noch leid tun«, murmelte Matthew leise.
Vier
Die Taxifahrt zur Schule dauerte nicht einmal zwanzig Minuten. Matthew war von der frischen Luft und dem eigenwilligen Fahrstil des Taxifahrers leicht schwindelig. Er hatte schon lange nicht mehr so viel getrunken, weil Alison, um ihre Chancen auf eine Schwangerschaft zu steigern, sie beide praktisch auf null gesetzt hatte.
Ian hatte Matthew während der Fahrt sein gesamtes Repertoire an Songs aus den Achtzigerjahren vorgesungen, angereichert mit einer knappen Zusammenfassung, was genau er mit jedem Song in Verbindung brachte. Ein immer wiederkehrendes Thema war offensichtlich das jeweilige Mädchen, mit dem er damals gerade Sex gehabt hatte – und welche Art Sex natürlich.
»Caroline war also mein Wake me up
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