Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Wortes ließe sich verteidigen. Unsere Aufgabe aber ist es, die beiden Bedeutungen gleichzeitig zu erhalten, so daß der gefühlsmäßige Wert des Wortes „wirklich“ einmal auf diese Seite, das andere Mal auf die andere Seite der Rechnung gesetzt werden kann, je nachdem es uns paßt. Die allgemeine Regel, die wir unter den Menschen nun schon ziemlich eingebürgert haben, ist die, daß in allen Lebenserfahrungen, die sie glücklicher oder besser machen könnten, die physikalischen Tatsachen „wirklich“ sind, während die geistlichen Elemente als „subjektiv“ angesehen werden. In allen Erlebnissen jedoch, die sie zu entmutigen oder gar zu verderben vermögen, sind die geistlichen Elemente die erste Wirklichkeit, und sie zu ignorieren wäre Vogelstraußpolitik. So sind bei einer Geburt Blut und Schmerz „wirklich“, die Freude aber ein bloß subjektiver Gesichtspunkt. In bezug auf den Tod offenbaren Schrecken und Häßlichkeit, was der Tod „wirklich“ bedeutet. Die Verhaßtheit eines gehaßten Menschen ist „wirklich“ – im Haß kann einer die Menschen so sehen, wie sie sind, er wird seiner Illusion ledig; die Lieblichkeit eines geliebten Menschen jedoch ist nur subjektiver Dunst, der einen „wirklichen“ Kern sexuellen Begehrens oder wirtschaftlicher Hoffnungen verbirgt. Krieg und Armut sind „wirklich“ schreckliche Ereignisse; Friede und Wohlstand sind nur physikalische Tatsachen, über die die Menschen gewisse Gefühle hegen. Die Geschöpfe klagen sich gegenseitig beständig an, daß sie „den Pudding gleichzeitig verzehren und aufbewahren wollen“, dank unseren Bemühungen jedoch finden sie sich viel öfter in der mißlichen Lage, den Pudding bezahlen zu müssen, ohne ihn essen zu können. Wird Dein Patient geschickt behandelt, so wird es ihm nicht schwerfallen, seine Erregung beim Anblick menschlicher Eingeweide als Offenbarung der Wirklichkeit und sein Empfinden beim Anblick glücklicher Kinder oder des strahlenden Sonnenscheins als reines Gefühl anzusehen.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XXXI
Mein lieber, mein innigst geliebter Wormwood, mein Püp p chen, mein Schweinsäuglein,
Wie sehr hast Du mich mißverstanden, daß Du jetzt, da alles verloren ist, wimmernd zu mir kommst mit der Frage, ob denn all die Ausdrücke der Zuneigung, mit denen ich Dich stets angesprochen habe, von Anfang an nichts bedeutet hätten. Weit entfernt davon! Glaube mir, meine Liebe zu Dir und Deine Liebe zu mir gleichen sich wie ein Ei dem andern. Es hat mich immer sehr nach Dir verlangt, wie Du (armseliger Wicht) stets nach mir Verlangen hattest. Der ganze Unterschied besteht darin, daß ich der Stärkere bin. Ich nehme an, man wird Dich oder ein Stück von Dir nun mir ausliefern. Dich lieben? Aber natürlich! Der leckerste Bissen, von dem ich je fetter wurde.
Du hast Dir eine Seele durch die Finger schlüpfen lassen. Das Geheul verzehrenden Hungers über den Verlust widerhallt in diesem Augenblick durch alle Regionen des Königreiches des Lärmes bis hinunter zum Throne selbst. Der Gedanke daran macht mich rasend. Wie gut weiß ich doch, was in dem Augenblick geschah, als sie ihn Dir entrissen! Es war, wie wenn ihm plötzlich die Augen aufgegangen wären (oder war es nicht so?), als er Dich zum erstenmal sah und die Rolle erkannte, die Du in seinem Leben gespielt hattest, und wußte, daß das vorüber sei. Überdenke (und laß das den Anfang Deiner Pein sein), was er in jenem Augenblick empfand! Als sei der Schorf von einer alten Wunde abgefallen, als sei er von einem abscheulichen, schuppenartigen Hautausschlag befreit worden, als habe er ein schmutziges, nasses, am Leibe klebendes Gewand ein für allemal abgestreift. Bei der Hölle! Es ist Qual genug, sie in ihren Erdentagen beobachten zu müssen, wie sie ihre beschmutzten und unangenehmen Kleider ausziehen und, während sie im heißen Wasser planschen, grunzende Laute des Vergnügens von sich geben – ihre erleichterten Glieder strecken. Was erst bedeutet dieses letzte Abstreifen und diese vollständige Reinigung!
Je mehr man darüber nachsinnt, um so qualvoller wird er. Er ist so mühelos hinübergegangen! Keine langsam wachsenden Befürchtungen, kein ärztliches Gutachten, kein Krankenhaus, kein Operationssaal, keine falschen Hoffnungen auf Genesung; einfach schlagartige Befreiung! Einen Augenblick schien es, als ob die Welt unser sei: das Heulen der Bomben, die einstürzenden Häuser, der Gestank und der Geschmack der hochexplosiven Stoffe
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