Dies Herz, das dir gehoert
gefährlich geworden, sich Deutscher zu nennen; er hatte manchen guten Deutschen kennengelernt, der sich als Schweizer ausgab oder als Holländer.
Einmal war er, eigentlich aus reiner Beschäftigungslosigkeit, an einem Sonntag zu einer Versammlung gegangen, die der Deutsche Verein in dieser Stadt einberufen hatte. Es war in einem Park gewesen, in einem dieser schrecklichen amerikanischen Parks, mit garantiert echten Wasserfällen aus Zementrohren, mit Eisenkonstruktionen und Baumruinen. Auf der Tribüne hatte ein Mann in Uniform gestanden und hatte geredet, vor ihm hatten noch ein paar Uniformierte gestanden, aber was der Redner geredet hatte, das war nicht zu verstehen gewesen, so sehr pfiff, brüllte, schrie die in weitem Umkreis stehende Menge.
Dann waren Flieger über die Versammlung dahingebraust und hatten Flugblätter über der Menge abgeworfen, in denen alles Deutsche beschimpft und verlästert wurde,so sehr, dass sich sogar in Johannes Wiebe der Widerspruch regte. Er kannte ja Deutschland, es war seine Heimat, sie konnte regiert werden, von wem es auch sei, nie konnte sich seine Heimat mit ihren deutschen Menschen zu lauter blutgierigen, säbelschwingenden Sadisten ändern!
Aber geändert musste sie sich haben – der Hass war zu spürbar. Hochgekommen musste sie sein: es war so viel Neid in dem Hass.
›Vielleicht‹, denkt Johannes Wiebe, ›bringt auch mir diese Änderung Möglichkeiten. Ich kann noch einmal anfangen. Und noch einmal. Und wieder. Ich bin ja dann daheim. Ich werde mich nicht von meinem Bruder aushalten lassen. Natürlich, Mutter will ich wiedersehen ... Aber ich glaube nicht, dass ich wieder tatenlos in unserer Villa herumsitzen möchte – Gnadenbrot will ich auch nicht essen.‹
Der Scheck, dieser bankbestätigte Scheck, den er am nächsten Morgen auf der Bank vorlegt, ist auch Gnadenbrot, das weiß er. Er muss die ganze hohe Summe nehmen, aber er will sie nicht ausgeben. Er könnte sich nun wieder einkleiden wie ein junger Herr, er könnte erster Klasse auf Bahnen und Schiffen heimwärts fahren, aber das will er nicht.
Er ist den Luxus nicht mehr gewöhnt, und im Grunde hat er nie Luxus gebraucht, so ist er nicht. Er kauft sich einen anständigen Anzug, ein bisschen Wäsche, mehr nicht. Dann fährt er über den Erie-See nach Buffalo und von dort ostwärts nach New York.
Er ist niedergeschlagen und still, als er so in der Bahn sitzt, äußerlich ein Amerikaner, mit der Fahrkarte hinter dem Hutband wie alle. Aber innerlich stößt ihn ihr Kauen und Schreien, die Füße auf den Sitzen, ihr Spucken, ihr burschikoses Sichbeklopfen stärker ab als je, nun, da er immerostwärts fährt, in die Länder der aufgehenden Sonne, der Heimat zu. Vielleicht reizt ihn alles stärker, jetzt, da er sich schon nicht mehr zu ihnen gehörig fühlt, endgültig weiß, dass er sich bei ihnen in God’s own land nie einleben wird. Vielleicht ist ihm aber auch nicht ganz wohl. Oft hat er einen schweren Druck im Schädel, sein Magen, der sich schon fast an den unverdaulichen Fraß gewöhnt hatte, streikt.
Als er in New York auf das Büro der großen Deutschen Schifffahrtsgesellschaft will, halten ihn ein paar Posten mit Plakaten an. »Fahr nicht auf Nazi-Schiffen« liest er.
»Du, Fellow, du wirst doch nicht mit den Leuten fahren?! Ich hoffe, du bist ein guter amerikanischer Staatsbürger, der für die Freiheit eintritt?!«
»Bin ich nicht frei, auf dem Schiff zu fahren, das ich will?«
»Oh! Geh zur Hölle, du bist ja selbst so ein verdammter Deutscher!«
Und er schlägt nach ihm. Aber ein bisschen hat Johannes Wiebe doch in diesem Land der robusten Selbstverteidigung gelernt; er weicht dem Schlag aus und haut dem Sandwichman mit der scharfen Ecke seines Köfferchens gegen das Schienbein: »Geh selber zur Hölle, du!«
Drinnen verlangt er eine Passage dritter nach Hamburg.
Der junge Mann, der ihn bedient, hat wohl etwas von dem Lärm des Streites vor der Tür gehört. »Sie sind angehalten worden?«, fragt er.
»Ach, diese Affen ...«
»Ja, Affen sind es«, sagt der junge Mann. »Aber Affen ohne Manieren. – Nach Hamburg dritter? Da brauchen Sie aber nicht erst mit dem großen Kasten in zwei Tagen zu fahren, da nehmen Sie doch den Neptun. Der hat nur dritter Klasse – der fährt schon heute Abend um sechs, und Sie sparen noch 25 Dollar!«
»Gerne!«, antwortet Johannes Wiebe. »Es fahren wohl jetzt nicht viele – wegen dem Trara da draußen?«
»Sie haben eine Ahnung – wir sind immer
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