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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zuerst ab.
    »Sie haben schön geschafft«, sagte sie. »Das Lastauto ist schon fort. Jetzt müssen Sie diese Sachen noch zum Stand von Tante Gustchen – ich meine, Frau Mahling, schaffen.«
    »Ich fang sofort an!« Und er griff zur Karre.
    »Einen Augenblick«, bat sie. »Sie können so schön schreiben, Herr Wiebe, vielleicht können Sie auch gut rechnen?«
    »Ich denke doch.«
    »Ich soll die Abrechnung fertig machen, Tante Gustchen verlangt es – und ich kann doch nicht rechnen!«
    »Sie können nicht rechnen?«
    »Nein, ich habe es nie lernen können. Schon auf der Schule habe ich so viel Schläge deswegen bekommen. Ich glaube, wir Frauen können entweder sehr gut oder gar nicht rechnen.«
    »Und Sie können gar nicht rechnen?«
    »Nein!«
    »In nichts?«
    »In nichts!«
    Einen Augenblick sah er sie an. Seine Augen leuchteten jetzt so, dass sie den Blick senkte.
    »Das ist schön«, sagte er plötzlich fröhlich. »Lassen Sie mich für Sie rechnen!«
    Und er nahm ihr Block und Bleistift aus den Händen.
Der Dieb
    Emil Schaken war unterdes in der kleinen verräucherten Stampe vor seiner halb geleerten Molle sitzen geblieben. Weder brannte er sich den erloschenen Zigarrenstummel an, noch bestellte er sich ein neues Glas Bier. Er saß nur so da, starrte vor sich hin.
    Er dachte auch nicht nach, weder darüber, ob es richtig gewesen war, diesen jungen Mann mit gerade jenem Mädchen zusammenzubringen, das er mit all seinen unklaren, tierisch dumpfen Instinkten begehrte, noch darüber, was er jetzt tun würde.
    Wahrscheinlich konnte er überhaupt nicht nachdenken. Er handelte immer aus dem Augenblick heraus, ganz spontan,sich selbst immer völlig überraschend. Aber er ertrug auch mit Gleichmut die Folgen solcher Handlungen. Dass Emil Schaken fast immer böse handelte, lag nicht an seinem Willen oder seinen Absichten, es lag daran, dass er nicht aus Lehm, sondern aus Dreck gemacht war.
    Er saß so da und erinnerte sich recht gut der gefüllten Brieftasche, die der Fatzke an seinem Tisch gezeigt hatte. Eine solche Brieftasche war so ein Fatzke gar nicht wert: er konnte nicht das Geringste mit dem Geld anfangen! Für Emil Schaken aber bedeutete es eine ganze Menge: Räusche über Räusche, Weiber, Faulheit ...
    So saß er eine lange Zeit und dachte an die Räusche, dachte an die Weiber, dachte daran, wie er die Mahling ankotzen würde, wenn sie Arbeit von ihm verlangte. Und dann plötzlich stand er auf und ging über die Straße zur Markthalle.
    Emil Schaken ist kein hochgewachsener Mann, er ist eher klein. Aber er ist breit und stämmig, er wiegt mit seinen starken Knochen gut seine hundertfünfzig Pfund. Aber wie er sich jetzt durch das Getriebe der Zentralmarkthalle schiebt, das sich jetzt, gegen die siebente Stunde zu, immer noch steigert, bringt er es fertig, mit seinem stämmigen, hundertfünfzigpfündigen Körper fast zu verschwinden. Man sieht ihn nicht. Man hört ihn nicht. Er schiebt sich unbeachtet durch das Gedränge.
    Seine kleinen, bösen Augen hat er dabei überall, und er kennt ja jede Gelegenheit in der Halle. Er geht hinter den Ständen, zwischen den Ständen, und so gelingt es ihm, völlig unbeachtet hinter den Mahling’schen Stand zu kommen. Frau Mahling steht vor diesem Stand und baut mit Hanne Lark aus Apfelsinen eine Pyramide.
    Emil Schaken sieht das. Er weiß, die Frauen sind beschäftigt,und auch der Fatzke kann ihn nicht stören. Der ist eben mit seiner Karre Richtung Oppermann abgerollt.
    Emil Schaken duckt sich. Dann richtet er sich wieder auf. Er besichtigt genau jede Ecke des Mahling’schen Standes.
    Er hat sehr wohl gesehen, dass der Fatzke sein Jackett ausgezogen hat, also wird es wohl hier im Stand hängen. Aber so genau er auch hinsieht, es hängt nicht hier. Nichts zu machen. Aber das hat wahrscheinlich gar nichts zu sagen: Fatzke bleibt eben doch Fatzke.
    Und Emil Schaken schiebt die Hände in die Taschen und verdrückt sich leise gegen den Hintergrund der Halle. Kurz vor dem Oppermann’schen Stand stellt er sich halb hinter ein Rinderviertel, so dass er sein Gesicht jederzeit verstecken kann. Und da steht er nun und wartet. Er hat alle Zeit, zu warten. Er muss einen Augenblick abwarten, wo der dicke Oppermann wegsieht und der Fatzke aus dem Gang zum Stand hinkarrt.
    Der Augenblick kommt schnell genug, und Emil Schaken gleitet ungesehen und ungehört in den Gang. Auf einen Blick findet er das Jackett und fasst hinein. Die Tasche ist leer!
    Die Hand noch in der Tasche, steht Emil

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