Dies Herz, das dir gehoert
da und wartet auf einen Entschluss. Er war seiner Sache so sicher! Dann nimmt er die Hand aus der Tasche und durchsucht die andern. In der einen findet er ein Päckchen Zigaretten und Streichhölzer. Er steckt sie ein. In der andern Seitentasche steckt das Kleingeld – etwa zwanzig Mark. Er steckt es ein. So ein Affe – Emil Schaken würde im Besitz von zwanzig Mark niemals arbeiten, und der karrt – wie ein Affe!
Aber die Geldtasche, auf die es ihm am meisten ankommt, ist nicht da. Emil Schaken versucht, sich über den Fall klar zu werden, aber er braucht beinah zu lange dazu, denn er hört die Karre wieder anrollen. Hinter die letztenzwei Kisten kann er sich nicht stellen, die holt der jetzt. Aber der Gang ist ja ziemlich dunkel, so stellt sich Emil in seine äußerste Ecke, das Gesicht zur Wand. Es wird schon klappen – und klappt es nicht, ist es auch noch so!
Aber Johannes Wiebe kommt nicht allein zurück, sondern Johanna Lark ist bei ihm.
»Sehen Sie, Fräulein«, sagt Johannes. »Nur noch zwei Kisten! Und es ist erst dreiviertel sieben.«
»Schön«, sagt sie nur. »Sehr schön.«
»Ja«, sagt er. »Und dann ist es mit der Arbeit zu Ende.«
»Ich glaube ja«, antwortet sie.
»Wird denn nicht morgen auch noch eine tüchtige Kraft gebraucht?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube – dieser Emil, der Mann, der an Ihrem Tisch saß« – er nickt – »ist irgendwie ein ganz entfernter Verwandter von Tante Gustchen.«
»Ach so!«
»Ja, ich glaube nicht ... Ich bin auch eine Verwandte, aber ich bin die Nichte.«
»Ja, das hatte ich schon verstanden.«
»Sie sehen also ... es tut mir natürlich leid ...«
»Also, Schluss heute, Fräulein!«
»Ich glaube, ja ...«
»Wollen Sie – wollen wir uns gleich hier adieu sagen?«
»Ja?«
»Ich meine, da draußen im Gedränge ... bei all den Menschen ...«
Sie reicht ihm die Hand.
»Adieu, Herr Wiebe.«
»Adieu, Fräulein Lark.«
Einen Augenblick sehen sie sich an, diese beiden jungen Menschenkinder. Plötzlich erschrecken sie über das, wassie fühlen. Sie fürchten, ihre Blicke könnten sie verraten. Sie senken die Blicke.
Sie geht gegen die Tür. Sie sagt sinnlos: »Also dann ...«
Und er, ebenso verlegen: »Ja, ich bringe die beiden Kisten sofort.«
Sie geht.
Einen Augenblick starrt er ihr nach. Dann lädt er die beiden Kisten auf die Karre, ohne Ahnung davon, dass drei Schritte hinter ihm Emil Schaken steht.
Emil Schaken hat sich umgedreht und betrachtet den Gegner mit düsterem Blick. Aber er lässt ihn unbehelligt mit seiner Karre auf den Gang, und als eine halbe Minute vergangen ist, folgt ihm Emil.
Wieder schleicht Emil auf seine unsichtbare Art zum Stand von Frau Auguste Mahling. Er steht hinter dem Stand. Die drei andern stehen vor dem Stand. Der »Fatzke« hat sich doch noch nicht trennen können, er hilft den beiden Frauen noch beim Aufbau des Gemüses.
Nun ist es gleich sieben, in wenigen Minuten beginnt der Kleinverkauf, dann hat Emil keine Gelegenheit mehr.
Also duckt er sich schnell, kriecht auf allen vieren, um von außen nicht gesehen zu werden, in den Stand und erspäht sofort an der gewohnten Stelle die große Blechkassette, in der Frau Mahling das Wechselgeld für den Markt aufhebt. Er öffnet den Deckel, nimmt den Einsatz mit dem Kleingeld heraus, stellt ihn neben sich und greift in den unten liegenden Raum für die Scheine.
Er weiß, dass keine Scheine darin sind. Frau Mahling ist eine viel zu vorsichtige Frau, um das größere Geld dort zu verwahren. Das trägt sie in der Ledertasche an der Hüfte – aber die Brieftasche vom Fatzke muss drin sein! Die hat sie sicher in Verwahrung genommen!
Ein Ausdruck von Wut und ratloser Enttäuschung malt sich auf seinem Gesicht, als auch das untere Fach leer ist. Er hockt da auf der Erde mit zornigem, bösem Gesicht. Wieder einmal geht der Lauf der Welt nicht so, wie er, Emil Schaken, erwartet, und so etwas muss ihn ja böse machen. Viele Falten auf der Stirn, die Lippen fest um den ewigen Zigarrenstummel geschlossen, horchend, ratlos ...
Aber das Gesicht erhellt sich. Leise zieht Emil den Einsatz zu sich heran, entleert ihn völlig in seine Tasche und stellt ihn zurück. Dann verlässt er den Stand und taucht sofort unter im Getriebe der Markthalle.
Polizei!
Sie haben die Gurken übereinandergeschichtet und die grünen Bohnen in den Körben ausgebreitet. Sie haben Wälle aus Blumenkohl gebaut und Türme aus Äpfeln errichtet, Birnenbastionen aufgeführt und Pampelmusenschlösser
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