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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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du denn ganz vergessen, dass dir Herr Oppermann heute früh schon eine Stellung angeboten hat?«
    »Doch, ja, jetzt erinnere ich mich.«
    »Siehst du, ich weiß ja noch gar nicht, ob es die richtige Arbeit für dich ist, aber vielleicht für den Anfang ... Was für Arbeit möchtest du denn gern tun?«
    »Ich weiß nicht, irgendwas, es wird schon recht sein. Oppermann ist so gut wie alles andere.«
    »So musst du nicht reden. Du musst doch einmal etwas gelernt haben. Jeder Mensch kann irgendetwas besonders gut. Was hast du gelernt?«
    »Oh, ich weiß nicht, nichts Rechtes, alles nur halb ...«
    »Ach!«, rief sie ungeduldig. »Ich möchte dich packen und schütteln! Wie kann man nur so mutlos sein, in diesem Lande, wo jetzt alles mutig ist. Das ist deine Heimat, Hannes, du musst sein, wie deine Heimat ist!«
    »Du bist jetzt meine Heimat, Hanne!«
    »Aber ich gehöre zu den andern, zu denen, die Mut haben, die sich nicht fürchten. Was kannst du also? Du sprichst Sprachen, nicht wahr? Man spricht drüben Englisch?«
    »Ja, das spreche ich ...«
    »Kannst du noch mehr Sprachen?«
    »Ja doch, Französisch und ein bisschen Italienisch und Spanisch.«
    »Also wird Oppermann nur ein Anfang sein. Du musst weiterkommen, so etwas kannst du nicht alles nutzlos vergraben. Was kannst du noch? Kannst du Maschine schreiben?«
    »Doch, ja«, sagte er, halb spöttisch, halb verzweifelt, »das kann ich auch. Ich kann auch Buchführung und Handelskorrespondenz und alte Sprachen ...«
    »Ich beneide dich«, sagte sie. »Was weißt du alles! Ich wollte, ich könnte was! Allen würde ich zeigen, wie ich vorankäme! Aber ich habe nur wenig gelernt, Rechnen nie, das weißt du schon, ich habe solchen harten Kopf fürs Lernen!«
    »Aber du kannst etwas«, rief er, von ihr bezwungen, »was viel besser ist als all der tote Wissenskram! Etwas viel Schöneres kannst du!«
    »Und was ist das, Hannes? Sag doch!«
    »Du kannst einem Mann Mut machen, Hanne!«, sagte er.
    Er stand aufrecht vor ihr, er hielt sie an beiden Schultern und sah ihr auf einen halben Meter Abstand in die Augen.
    »Kann ich das, kann ich das wirklich, Hannes? Hast du wieder Mut? Wirst du morgen zu arbeiten anfangen und nicht nur blöde vor dich hin arbeiten, sondern gerne arbeiten und vorwärtskommen wollen, damit du für viele etwas bist, nicht nur für dich allein?«
    »Doch, das will ich – aber du musst mir helfen, Hanne! Ich werde manchmal mutlos sein.«
    »Warum willst du denn mutlos sein? Daran musst du gar nicht erst denken!«
    »Ja, ich komme aus einem so andern Leben. – Ich hab soviel erwartet, Hanne, vom Leben, verstehst du. Ich dachte immer, ich würde etwas ganz Besonderes werden, Hanne, etwas leisten ...«
    »Aber das denken wir doch alle, Lieber, solange wir Kinder sind, träumen wir davon.«
    »Eben, als Kinder. Aber ich hab den Kindertraum immer weiter festgehalten, ich hab mich nicht trennen können von ihm. Und dann hab ich draußen in der Welt gesehen, dass ich nicht mehr, sondern weniger leiste als jeder andere.«
    »Aber draußen in der Welt, Hannes, da bist du allein gewesen, du hast es mir selbst gesagt. Und allein für sich kann man nie etwas leisten. Das ist genauso dumm wie Tante Gustchen und Onkel Oskar, die immer sparen und hamstern und knapsen, und wenn sie tot sind, ist alles vorbei, als sei nichts gewesen. Wenn man etwas leisten will, muss man nicht an sich, da muss man an die andern denken!«
    »Ich denke ja an dich – von nun an!«
    Sie rief ungeduldig: »Aber ich bin auch nur eine von vielen! Denkst du, ich bin etwas Besonderes? Ich bin ein Mädchen vom Lande – wie Zehntausende, ich weiß wenig, ich ...«
    »Du«, sagt er und zog sie näher an sich. »Du bist meine Heimat. Du bist mein Stolz. Du bist meine Liebe und mein Glück. Du bist das Herz, das mir gehört...«
    Er lauscht seinen eignen Worten nach.
    »Das hat meine Mutter einmal zu mir gesagt«, erinnert er sich selbstvergessen.
    »Du hast eine Mutter, Hannes?«
    »Ich habe keine Mutter und keinen Bruder. Ich habe kein Elternhaus. Ich habe keine Vergangenheit mehr. Ich habe nur noch dich. Mit dir fängt mein Leben an, und ich bete, dass wir nie wieder auseinandergehen mögen.«
    »Nein«, sagt sie und lehnte an seiner Brust. »Wir werden nicht mehr auseinandergehen, keinen Tag mehr. Aber wenn du mich so liebst, wie ich dich liebe, so wirst du durch mich Mutter und alles, was du jetzt aufgeben willst, wiederfinden. Denn der Mensch kann seine Wurzeln, aus denen er wuchs, nicht

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