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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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abreißen, sonst verkümmert er und geht ein.«
    Er hatte nur eines gehört. »Werden wir nicht wieder auseinandergehen?«, fragt er.
    »Nein, wenn du es nicht willst.«
    »Von dieser Stunde an?«
    »Von nun an!«
    »Hanne!«
    »Hannes!«
    »Und wir haben uns heute Morgen noch nicht gekannt!«
    »Was macht das, Lieber? Wir haben ein langes Leben vor uns, einander kennenzulernen. Es hat Zeit, denn wir lieben uns ja!«
Der Einschreibebrief
    Der fett gewordene Herr der Fabrik saß, still an seiner Zigarre saugend, hinter dem Schreibtisch und dachte nach. Draußen vor seinen Fenstern lief mit Schnurren und Klappern, mit Hämmern und Zischen, mit Sausen und Poltern das Werk, wie es jeden Arbeitstag pausenlos in zwei Schichten sechzehn Stunden lang lief – und bald würde es dreischichtig von Wochenanfang bis Wochenende durchlaufen.
    Ja, das Werk lief gut, die schlechten Zeiten waren ausgestanden, und zwar ohne Einbuße für die Besitzer überstanden, dank seiner Klugheit, die alle Lasten auf andere Schultern hatte abwälzen können. Um das Werk musste man sichkeine Sorgen machen. Das Geld floss auf ihn zu, jeden Monat wurde die einströmende Welle größer.
    Einen Augenblick hellt sich das Gesicht des Thomas Wiebe auf, als er dieses ständig wachsenden Geldbesitzes gedenkt. Eigentlich bedeutet ihm das Werk wenig oder nichts, es ist nur ein Mittel zum Zweck, Geld aber bedeutet ihm alles! Eine Fabrik ist nur ein Unternehmen zum Erwerb von Geld, mit tausend widrigen Pflichten verknüpft, wie etwa dem Umgang mit Arbeitern, Menschen, die zur Zeit immer unverständiger, fordernder, aufsässiger wurden.
    Geld aber ist etwas Sauberes und Schönes, ist Selbstzweck, etwas Abstraktes fast, das man durch einen Weg zur Bank vervielfältigen kann. Und man braucht nicht einmal zur Bank zu gehen und mit einem Menschen zu sprechen, man kann seine Orders auch überschreiben. Das ist es, was er liebt: den Anblick eines Kontoauszuges, einer Bankabrechnung, diese Schlusssumme, deren Zahlen immer größer werden – das macht ihn so glücklich!
    Es ist, als hätten sich in dieser Generation die bisher weise gemischten Eigenschaften der Wiebes aufgeteilt: bei den älteren ein kalter Erwerbssinn, eine sich selbst verzehrende Lust am Vermehren von Besitz; bei den jüngeren nur Gefühl, Lebensuntüchtigkeit und Schwäche.
    Da sitzt er und sinnt. Er überlegt – ein ganz klein wenig sorgenvoll. Die kleine, eben aufgestiegene Freude am vermehrten Besitz ist schon wieder vorüber, denn dieser Besitz gehört ja nicht ihm allein. Da ist noch die Mutter und ...
    Das ist es! Vor einer Weile hat ihn die Mutter aus Hamburg angerufen, so erregt, so ratlos, wie er seine Mutter, die meist so kühle, sichere Dame, gar nicht kennt. Was sie tun solle? Auf keinem Dampfer sei Johannes! Ob dort Nachrichtvon ihm eingelaufen sei? Habe er sich doch irgendwie gemeldet? Sie habe so ein Gefühl, als müsse er schon im Lande sein, als ginge es ihm schlecht! Ob sie nach Berlin zurückkommen solle?
    Ja, natürlich, es sei wohl das Beste.
    Oder ob sie nicht doch vielleicht noch einen oder zwei Dampfer abwarten solle? Es sei ihr schrecklich, zu denken, dass er vielleicht ankäme und sie sei zwei Stunden vorher abgefahren!
    Ja, das könne wohl kaum etwas schaden, ein oder zwei Tage könne sie ruhig zulegen, hier gehe weiter alles glatt.
    Sie hörte gar nicht auf ihn.
    »Du, Thomas, ich habe eben daran gedacht, direkt nach den Staaten hinüberzufahren. Wir wissen doch den Ort, wo der Scheck eingelöst ist. Es gibt dort so tüchtige Leute, die bringen sicher heraus, wo er gewohnt und wo er gearbeitet hat. Vielleicht ist er wirklich noch dort – du hast einmal so etwas angedeutet. Nicht, dass ich ihm etwas Schlechtes zutraue ...«
    »Das tue ich natürlich auch nicht, Mutter.«
    »Aber nachdem er sich das Geld geholt hat, kann ihn irgendetwas an der Abreise verhindert haben, Krankheit. Ich habe immer so ein Gefühl, als sei er krank.«
    »Du denkst also daran, Mutter, selber hinüberzufahren? Das müsste man sich überlegen. Vielleicht wäre es nicht so schlecht.«
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll! Rate du mir doch, Thomas, du hast so viel Erfahrung! Und du kennst Hannes doch auch. Ich denke immer, er ist schon in Berlin. Ich habe das fast sichere Gefühl. Aber es muss mich täuschen, denn dann wäre er doch zu uns gekommen, zu dir also ... Vielleicht irre ich mich, vielleicht ist er doch noch drüben.«
    Hin und her, Ratlosigkeit, es kommt zu keinem Entschluss.

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