Dies Herz, das dir gehoert
lackiert gewesenen Bettstelle, bei der jetzt überall das blanke Eisen durchschimmerte. Und natürlich verstanden die Mädchen, dass ihm das Zimmer nicht gefiel.
»Ein Komfortzimmer aus dem Westen ist es natürlich nicht«, sagte Marie Jäckel ein wenig gekränkt, denn immerhin standen gerade die besten Stücke aus der Einrichtung ihrer Mutter selig in diesem Raum.
»Hör nicht auf ihn«, lachte Hanne Lark und fasste die Freundin zärtlich um die Schulter. »Er kommt grade aus Amerika, da ist er anderes gewöhnt! Wie sind die Zimmer in Amerika, Hannes? Herrlich, wie?«
»Höhlen«, sagte Hannes. »Wenigstens die, die ich bezahlen konnte. Nackte Löcher. Dies ist ein Feenplatz dagegen, Fräulein Jäckel. Ich bin wirklich sehr zufrieden.«
Die beiden Freundinnen betrachteten ihn mit einem schweigenden Lächeln. Marie Jäckel noch ein wenig zurückhaltend, Hanne Lark aber, wie eine Mutter lächelt, wenn das Kind sein Butterbrot nicht will, sondern durchaus ein Schmalzbrot möchte. Das unverständige Kind! Es weiß ja noch nicht, dass es im Leben nicht darauf ankommt,ob man von Butter- oder von Schmalzbrot satt wird, sondern dass man überhaupt satt wird!
›Er wird das Zimmer schon noch hübsch genug finden‹, dachte Hanne Lark.
Dann aber rief sie lachend: »So, und nun wollen wir hier nicht länger stehen! Jetzt machen wir dein Zimmer zurecht. Und etwas zu essen muss er auch haben, Marie, er hat heute den ganzen Tag noch nichts bekommen!«
»Vielleicht packen Sie unterdes schon aus, Herr Wiebe«, sagte Marie Jäckel.
»Auspacken ...«, sagt er. Sein Blick suchte das Köfferchen, das so klein und verloren auf dem Stubenboden stand. Er gab sich einen Ruck. »Ja, natürlich werde ich auspacken ...«
Hanne Lark aber lacht wieder. »Er hat ja nichts auszupacken, Marie! Das Köfferchen dort, das ist sein ganzes Hab und Gut, nicht wahr, Hannes?«
Er nickte, ein wenig sauertöpfisch und doch erleichtert, wie sie wieder mit rascher Hand den Knoten zerschlug.
»Der große Koffer, das ist meiner, Marie! Ich ziehe nämlich auch! Die Tante hat mich herausgesetzt, wegen sittenlosen Lebenswandels ...«
Marie Jäckel sah vom Köfferchen zum Koffer, von Hannes zu Hanne. Ein wenig verwirrt sagt sie: »Dann ist das Zimmer also ...«
Und verstummte, wurde rot und verstummte.
»Nein«, sagt Hanne Lark nach einer Weile mutig. »Nein, das Zimmer ist nur für ihn. Wie dumm du doch bist, Marie! Sobald er hier eingerichtet ist, suche ich mir ein Zimmer. Selbstverständlich.«
»Heute Nacht noch?«
»Aber natürlich heute Nacht noch! Was ist da weiter bei?! Weißt du vielleicht eins in der Nähe?«
»Nein. Ich glaube nicht. Ich weiß keines in der Nähe.«
»Dann werde ich eben suchen! Hab nur keine Angst, ich werde schon was finden. Nicht wahr, Hannes?«
Aber Johannes Wiebe schwieg.
Und Zimmer gefunden
»Also dann gute Nacht«, sagte Marie Jäckel und stand zögernd mit dem Abendbrotgeschirr in der Tür. »Du gehst noch nicht, Hanne?«
»Doch, ich gehe gleich, Marie, nur einen Augenblick noch.«
»Also dann gute Nacht!«
Die Tür schloss sich hinter ihr, die beiden saßen allein einander gegenüber.
»Wie gefällt sie dir?«, fragte Hanne und deutete mit dem Kopf nach der Tür.
»O gut«, sagte er leichthin. »Nur, es kam mir so vor ... Vielleicht ist es ihr nicht ganz recht ...«
»Was soll ihr nicht ganz recht sein?«
»Ach nichts. Ich meine nur, sie weiß doch nun, dass wir gar kein Geld haben, und das Zimmer kostet fünfundzwanzig Mark. Und dann unser Essen eben und mein Frühstück alle Tage ...«
»Denkst du immer an Geld, du Armer? Als ich dich kennenlernte, musstest du durchaus Geld fortschicken, um dich frei zu fühlen. Und jetzt denkst du immerzu an Geld, das du haben möchtest.«
»Aber wir müssen sie doch bezahlen! Ich muss es!«
»Natürlich wirst du sie bezahlen. Schulden sind mir auch grässlich!«
»Und womit?«
»Aber du wirst arbeiten, mein Lieber! Du wirst tun, was alle Menschen tun, du wirst arbeiten und davon leben. Darum braucht man sich doch nicht zu sorgen! Hast du denn je anders gelebt? Ich nie! Schon als zehnjähriges Mädchen bin ich mit zum Kartoffelbuddeln gegangen.«
»Doch! Ich habe auch einmal anders gelebt. Doch daran wollen wir nicht mehr denken, das ist vorbei und vergessen. Und ich will auch gern arbeiten. Aber werde ich Arbeit finden!«
»Natürlich wirst du Arbeit finden. Für jeden, der nur will, gibt es heute Arbeit. Darum muss man sich nicht ängstigen und sorgen. Hast
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