Dies Herz, das dir gehoert
Augenblick passt, verstohlen oder offen, er bildet sich ein, er könne das auf diese Entfernung erkennen. Und klettert hochzufrieden wieder von seinem Kistenberg.
Diesmal empfängt ihn unten sein Chef.
»Was machen Sie denn da oben? Ich denke, Sie schreiben Rechnungen aus?«, fragt er grämlich, denn seine ihm angeborene heitere Laune ist noch etwas getrübt von dem Misserfolg bei Pottschmidt.
»Ich? Was ich da oben ...?«, fragt Johannes Wiebe ziemlich verlegen. Denn er weiß beim besten Willen nicht, wie er dies seinem Chef erklären soll. Es sei denn, er sagt einfach die Wahrheit.
»Richtig! Was Sie da oben gemacht haben!«
»Ach, ich, mir war so heiß ...«
»Da oben ist’s kühler?«
»Und die Beine waren mir vom Sitzen so steif geworden.«
»Und da klettern Sie – ist doch klar!«
»Ja ...«
»Und das Taschentuch? Damit haben Sie sich frische Luft gefächelt? Natürlich!«
»Ja – ach, Herr Oppermann, es ist sicher kindisch. Ich hab einfach der Hanne mal zugewinkt.«
»Und meine Rechnungen?«
»Werden trotzdem fertig! Bestimmt! Trotzdem ich alle Viertelstunden winke, so haben wir es nämlich ausgemacht!«
»Junger Mann!«, sagt Oppermann düster. »Junger Mann! Ich bin ein Weltmann, ich verstehe alles! Aber lassen Sie das bloß Pottschmidt nicht merken! Pottschmidt ist in so was ein Aas – Hanne bekäme Dunst!«
»I wo! Wie soll das Pottschmidt merken? Pottschmidt ist doch auf dem Kurfürstendamm!«
»Pottschmidt ist hier!«, sagt Oppermann mit Nachdruck. »Und eben ist Pottschmidt zu Ihrer Hanne gegangen sie in Verhör nehmen. Ihm hat irgend so ein Dussel verquatscht, dass Sie Hannes Freund sind – und da bildet sich Pottschmidt ein, ihr wollt bald heiraten – und dann ist die Hanne für ihn futsch.«
»Und?« Johannes Wiebe ist ganz Spannung.
»Und? Was denn noch? Ist das nicht genug?! Jetzt verhört er sie wohl und ...«
»Und was?«
»Ja, wie soll ich wissen, was Pottschmidt dann tut? Fragen Sie ihn doch selbst!«
»Werde ich machen! Entschuldigen Sie, Herr Oppermann, nur einen Augenblick, die Rechnungen werden trotzdem fertig!«
Und Johannes Wiebe stürzt sich in das Gewühl, wie er ist, in Hemd und Hose, ein Taschentuch in der Hand.
Viele Gesichter sehen auf Hanne Lark.
Da sind die Nachbarstände, ein Dreivierteljahr hat Hanne Lark sich in der Halle nicht sehen lassen, und nun ist siewieder da! Damals wurde sie wegen einer Männergeschichte mit Schimpf und Schande von der Tante weggejagt, es war eine dunkle Geschichte, viel Wechselgeld war gestohlen worden. Es hatte dann geheißen, Frau Mahling habe ihr Wechselgeld durch die Polizei zurückbekommen, aber das Mädchen war verschwunden geblieben. Der junge Mann aber, der es gestohlen hatte, konnte es doch nicht gewesen sein, denn ihn sah man von diesem Tage an ständig in der Halle. Und nun ist auch Hanne Lark wieder da, wie sie dort drüben thront!
Sie stecken die Köpfe zusammen, sie tuscheln.
»Det hat se der Tante extra zum Tort jetan, det se zu Pottschmidten is! Jrade visavis jejenüber! So was muss ’ne Tante doch ärjern! Und nu noch dieselbe Branche!«
»Na, der Mahling jönn ick es! Die jönnt ooch keenem nischt Jutet!«
»Saren Se mal ...!«
»Wat denn?«
»Is er denn schon in die Erscheinung jetreten?«
»Als wie wer?«
»Na, der Bewusste!«
»Ach, den Jüngling von Oppermann meenen Se! Der damals ...«
»Jenau den meene ick!«
»Nee, der is mir bisher noch nicht bewusst jeworden. Sie meenen, det die beeden ...?«
»Na, klar doch, Mensch! Eene Rose macht doch keenen Sommer – mit so eener ging ick ooch länger Rosen pflücken!«
»Na, wat nich is, kann ja noch werden. Ich werde Sie’s saren, wenn ick wat sehe.«
»Ick halte ooch Ausschau! Jenau wie die Mahling! KiekenSe bloß, wat die die Oojen rollte! Det Jlas von der ihre Brille muss bald zu drippen anfangen, so sehr kocht die!«
»Na, in so nem Falle würde ick ooch kochen, bloß det ick keene Brille habe!«
Ältere Herren bleiben stehen und sehen sich nach Hanne Lark um. Sie machen kehrt, sie treten an den Obststand, sie erkundigen sich nach den einzelnen Sorten – am liebsten würden sie, von Hannes Stimme vorgetragen, einen längeren Vortrag über Obst hören.
Die Gesichter schieben sich hin und her, einen Augenblick heben sich die meisten einzeln und weiß zu ihr auf. Aber sie sieht kein einzelnes – sie hat zu arbeiten. Sie arbeitet.
Ein wenig ab, bei den Ständen der Fleischer, wo es auch warme Würstchen zu kaufen gibt, herrscht ein
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