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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ziemliches Gedränge. Von hier ist es wohl zu weit, bis nach Hanne Lark zu sehen. Sie stehen da ziemlich eng gedrängt, kauen entweder an ihren Würsten oder haben noch ihre Groschen in der Hand, ungeduldig, sie gegen Waren einzutauschen.
    Immerzu wechseln die Gesichter, niemand achtet auf sie, niemand merkt sie sich. Es ist möglich, dass ein bekanntes Gesicht sich zwischen diesem Gedränge befindet, aber wer hat die Zeit, es sich herauszusuchen?
    Es ist sehr gut möglich, dass dort ein Mann mit einem Zigarrenstummel im Mundwinkel mit kleinen, bösen Augen zwischen den Leuten steht und mit diesen Augen doch auf den weit entfernten Stand von Hanne Lark starrt, aber wer soll ihn sehen?
    Er ist ein eher kleiner Mann, immerzu schieben sich die größten Leute dazwischen, verdecken das Gesicht ...
    Da war es eben noch einmal, böse – und nun ist es ganz fort!
    Vielleicht war es überhaupt nicht da, vielleicht haben wir uns geirrt. Sicher haben wir uns geirrt. Emil Schaken müsste doch im Gefängnis sein, nicht wahr?
    »Pottschmidt!«, sagt Pottschmidt.
    »Ich werd Sie doch kennen!«, sagt Frau Auguste Mahling lebhaft. Obwohl sie eine Wut auf diesen Mann hat, kann sie doch seinem Erfolg ihre Anerkennung nicht versagen. Außerdem, wer weiß, wozu es gut ist! Ein bisschen Schmeicheln ist immer angebracht.
    »Ich weiß nicht, wie Sie es anfangen, Herr Pottschmidt. In ganz Berlin gibt es seit einer Woche keine Zitronen. Und Sie haben Zitronen!«
    »Ja«, sagt Herr Pottschmidt. Er steht aber nicht hier an diesem Stand, um Auskünfte zu erteilen, sondern, um sich Auskünfte zu holen. »Das ist Ihre Nichte, habe ich recht?«
    »Die? Die kennen wir nicht!«, sagt Tante Gustchen mit Nachdruck, und ihr Ton verrät, dass sie dieses Mädchen nur zu gut kennt.
    »Aber Ihre Nichte ist sie doch?«, fragt Herr Pottschmidt beharrlich.
    »Wenn Sie so was Nichte nennen wollen, Herr Pottschmidt!«, ruft Frau Mahling verächtlich. »Bitte schön, Sie haben das Mädchen ja auch engagiert, ich nicht! Ich habe sie rausgeworfen!«
    Und sie sieht ihn triumphierend an.
    Herr Pottschmidt rührt ihr Triumph nicht. »Da soll ja was gewesen sein mit einem jungen Mann?«, erkundigt er sich.
    »Soll was gewesen sein? Ich bitte Sie, Herr Pottschmidt, wie Sie nur reden können! Da ist was gewesen! Wo ich es mit meinen eignen Augen gesehen habe! Auf ihrem Bett hat er gesessen!«
    »Nein, so was!«, sagt Herr Pottschmidt kühl. »Ja, die Jugend. Die schöne Jugend! – Da werden die jungen Leute wohl bald heiraten?«
    »Heiraten?« Tante Gustchen verschlägt es den Atem. »Heiraten! Der und heiraten! Der führt sie doch bloß an der Nase rum. Das ist so ein Herumtreiber, wissen Sie, Herr Pottschmidt, ein Hochstapler! Ich begreife ja Oppermann nicht, ich kauf auch nicht mehr bei ihm, seitdem ...«
    »Danke schön, Frau Mahling«, sagt Pottschmidt, der alle Auskünfte hat, die er von Tante Gustchen erwartete. »Ich wünsche auch ein gutes Geschäft ...«
    Und damit geht er zu seinem Stand hinüber, dem man nicht erst ein gutes Geschäft wünschen muss, denn er hat es schon. Trotzdem Hanne Lark im Augenblick nicht sehr verkaufstüchtig ist, denn sie redet halblaut und eilig mit einem jungen Mann in Hemd und Hose, der ein weißes Taschentuch in der Hand trägt.
    »Guten Abend, Fräulein Lark«, sagt Pottschmidt tönend.
    Die beiden fahren auseinander. Herr Pottschmidt ist sehr zufrieden damit, wie stark er wirkt.
    »Zeigen Sie doch mal Ihre Hände, Fräulein Lark«, sagt er laut, und errötend zeigt Hanne ihrem Arbeitgeber die Hände. Es ist ein wenig peinlich, denn eine Menge Leute sehen diesem unverständlichen Vorgang zu. Aber Hanne lächelt dabei – und wenn man so lächelt, kann der Vorgang ruhig unverständlich sein, es sieht doch hübsch aus.
    »Danke, Fräulein Lark«, nickt Pottschmidt zufrieden. »Sie können weitermachen. – Kommen Sie, junger Mann!«
    Und damit fängt er sich den recht verlegenen Johannes Wiebe und geht mit ihm aus dem dichtesten Gedränge.
    »Sie arbeiten bei Oppermann, junger Mann?«, fragt Pottschmidt väterlich. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Wiebe. Johannes Wiebe. Ja, ich arbeite bei Oppermann.«
    »Was zahlt Ihnen denn der Oppermann so?«
    »Ach – zweihundertzwanzig.«
    »Brutto oder netto?«
    »Brutto.«
    »Bleiben etwa hundertachtzig – habe ich recht? Die kleine Lark wird bei mir auf etwa zweihundertachtzig netto kommen – hundertachtzig und zweihundertachtzig macht vierhundertachtzig – warum heiraten Sie

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