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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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nicht sehen.«
    »Kenn ich!«, sagt Pottschmidt kurz. »Knietschige Krauter – nischt für so ’n Mädel. So ’n Mädel muss Luft haben, Arme rühren können, hab ich recht?«
    »Na, bei Ihnen hat sie Raum genug, die Arme zu rühren!«, antwortet Oppermann beifällig. »Vielleicht sind ihr heute Abend die Arme sogar ein bisschen lahm.«
    »Sollte mich freuen!«
    »Die auch. Die ist nicht so. Die freut das auch. – Sagen Sie mal, Pottschmidt, haben Sie ihr das eigentlich erlaubt, dass sie zu dem schwarzen Kleid mit der weißen Schürze noch immer ein Kopftuch trägt? Ein bisschen ungewöhnlich, was?«
    »Reine Seide!«, erklärt Pottschmidt. »Hab ich ihr selber ausgesucht. Weiß mit schwarzen Tupfen. Siebeneinhalb Mark, auf Geschäftsunkosten übernommen.«
    »So, das haben Sie sich also selbst ausgedacht, Pottschmidt?«, fragt Oppermann ein wenig zweifelnd.
    »Nee, sie bestand auf ihrem Kopftuch. Vom Lande, verstehen Sie? Da steckt so was drin. Und warum nicht? Recht hat sie. Obst ist vom Lande, Gemüse ist vom Lande, Kopftuch ist vom Lande – so was gefällt der Kundschaft. Werd ich am Kurfürstendamm auch einführen, habe ich recht?«
    »Dann werden Sie Ihren Mädels am Kurfürstendamm erst andere Gesichter anschaffen müssen! So ’n Kopftuch passt nicht zu gedrehten Locken und geschminkten Lippen. So ’n Gesicht, wie’s die Hanne Lark hat, gibt’s nur ein Mal!«
    »Sie haben wohl Feuer gefangen, alter Genießer?«, lacht Pottschmidt und klopft Oppermann zärtlich auf den Bauch. »Sie schwärmen ja richtig!«
    »Nee, nee, Pottschmidt, ich bin ein oller Mann. Nur was ich so höre. Der ihr« – er zeigt mit dem Daumen auf das Prunkzelt – »Freund arbeitet nämlich bei mir.« Er weist mit dem Zeigefinger auf seinen Bauch. »Das ist ’ne Liebe, wie se bloß in den Romanen steht, sage ich Ihnen, Pottschmidt!«
    »Da!«, ruft Pottschmidt und stampft wütend auf. »Da!! Haben Sie mir nun glücklich den ganzen Tag verdorben, Oppermann! Da hat man mal was Nettes«, fährt er klagend fort, »gleich hat’s ’n Freund, und in einem Vierteljahr heiraten sie, und ich bin meine Verkäuferin wieder los!«
    »Na, na!«, sagt Oppermann ernstlich bestürzt über diese unerwartete Wirkung seiner Worte. »So schnell wird’s ja doch nicht gleich gehen. Fast ein Jahr kennen sich die schon, und von Heirat ist noch nie die Rede gewesen.«
    »Trägt sie ’n Ring?«, fragt Pottschmidt sehr interessiert.
    »Weiß ich nicht. Hab ich nicht drauf geachtet. Kann ich nicht sagen. Glaub ich nicht«, ergeht sich Oppermann.
    »Da muss ich doch gleich mal sehen«, sagt Pottschmidt.
    Er geht, in Befürchtung und Zweifel versunken. Er geht, ohne überhaupt noch an Oppermann zu denken, der doch so gerne einen größeren Abschluss mit Pottschmidt getätigt hätte!
    Ein junger Mann sitzt in dem kleinen Oppermann’schen Büro, er tippt eifrig Rechnungen. Es ist sehr heiß in dem Büro, wo tags und nachts Licht brennen muss. Der junge Mann sitzt in Hemd und Hose da und tippt.
    Er ist ganz versunken in seine Arbeit – und doch, jedes Mal, wenn die Hallenuhr eine neue Viertelstunde schlägt, springt er mit einem Ruck von der Maschine auf. Er lässt sich nicht die Zeit, das Wort zu Ende zu tippen. Er greift ein säuberliches, blütenweißes Taschentuch, das neben der Maschine liegt, und läuft, das Taschentuch offen in der Hand, aus dem Kontor in die Halle.
    Er stürzt sich nicht in das Gewühl mit den Ständen, nein, er bleibt hier hinten, wo sich leere Kisten und Fässer türmen, Barrikaden aus Körben erbaut sind. Auf einen solchen Kistenturm klettert er. Der Kistenturm sieht etwas wacklig aus, aber er ist stabil genug, Johannes Wiebe weiß es, denn er hat ihn selbst gebaut!
    Er klettert rasch, ohne sich um die Blicke etwaiger Zuschauer zu kümmern, auf die Spitze dieses Turms, und nunsucht er von hier oben, wo er freie Sicht hat, zwischen Gewirr und Lichtern, jenen Stand, wo sie sitzt! Er hat schon Übung, er findet ihn gleich, er sieht einen kleinen weißen Fleck, das ist ihr Gesicht. Und nun nimmt er das Taschentuch und winkt ihr zu. Er winkt langsam, andächtig, mit tiefernstem Gesicht, dreimal, viermal, fünfmal. Denn so haben sie es miteinander verabredet. Sie wollen sich nicht gegenseitig in der Arbeit stören, aber sie wollen sich doch ein Zeichen geben, dass sie aneinander denken. Und so winkt er ihr alle Viertelstunde zu, und er bildet sich ein, sie nickt ihm zurück. Übrigens nickt sie natürlich zurück, ganz wie es im

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