Dies Herz, das dir gehoert
ein richtiger Mensch, Hannes.«
»Und was bin ich jetzt?«
»Ein bisschen noch – ein Höhlentier. Das sich vor der Sonne und den Menschen scheut.«
»Aber ich bessere mich?«
»Ja, eben mit dem Rasen warst du schon ganz menschlich. Und Ausflug ist auch sehr menschlich.«
»Du, Hanne – der Gedanke stammt aber von der Marie!«
»Wirklich? – Na, macht auch nichts. Du machst jedenfalls den Ausflug, kriechst aus der Höhle, das ist auch schon was!«
In Amt und Würden
An einem schönen Sonnabend Nachmittag thront Hanne Lark dann im Pottschmidt’schen Stand der Zentralmarkthalle Berlin. Sie thront wirklich, denn der Pottschmidt’sche Stand ist fast ein Prunkzelt, nicht vergleichbar mit den andern gewöhnlichen Marktständen. Und er quillt über von Gemüse und Obst. Wer das Zelt übersieht, kann doch nicht diese Fülle schönster Früchte übersehen, dieses frische Gemüse – und von allem immer nur das Beste und so appetitlich aufgebaut.
Dies ganze Zelt legt Zeugnis ab von dem Satz Pottschmidts, der ihn groß gemacht hat vor allen Obsthändlern Berlins, jenem Satz, der da lautet: »In unserer Branche isst man zuerst mit dem Auge, viel später erst mit der Zunge! Dem Auge muss man was bieten!«
Vielleicht ist es auch dieser Satz Pottschmidts, dem Hanne Lark ihre neue Stellung verdankt, denn ihre Vorgängerin war zwar höchst vertrauenswürdig, aber schon ein wenig ältlich und nicht frei von Schärfe im Umgang mit der Kundschaft. Vor allem glaubte sie blindlings an den absoluten Vorrang aller von Pottschmidt verkauften Erzeugnisse,ein Zweifel an dem Geschmack eines von ihr verkauften Apfels schien ihr Frevel. Und das sagte sie den Kunden auch! Und zwar deutlich!
Hanne Lark thront in ihrem Stand und verkauft mit ruhig lächelnder Sicherheit ihr Gemüse und Obst. Sie kann wahrhaft in Sicherheit lächeln, denn bei Pottschmidt ist es so organisiert, dass es schlechtes Rechnen nicht gibt. Vor ihr liegen unter einer Glasscheibe Tabellen, und wenn sie nun drei Pfund Sommeräpfel zu 37 Pfennigen verkauft hat, fährt sie nur mit dem Zeigefinger eine Zahlenreihe entlang, mit dem Auge eine andere hinunter, und mit Bestimmtheit sagt sie schon: »Macht eine Mark elf, bitte schön!«
Hanne Lark hat oft Gelegenheit, dieses und Ähnliches zu sagen, denn, obwohl es jetzt eigentlich die stillere Zeit zwischen drei und vier Uhr nachmittags ist, wird ihr Stand ziemlich belagert. Sie hat alle Hände mit dem Verkauf voll, das kleine Mädchen, ihre Adjutantin, muss sich sputen, die immer wieder lückig werdenden Bestände aus Kisten und Körben zu ergänzen.
So entgeht es Hanne Lark vielleicht, dass sie das Ziel vieler Blicke in der Halle ist. Aber nein, sie müsste kein so hübsches Mädchen sein, um nicht zu wissen, dass viele auf sie schauen, mit mancherlei Gefühlen. Natürlich weiß sie es! Darum hält sie doch den Kopf so stolz, darum leuchten ihre Augen so!
Sie sieht nicht hoch bei ihrer Arbeit, aber man muss nicht hochsehen, man weiß es auch so, zum Beispiel vom Tanzsaal her, wenn man das Ziel vieler Blicke ist. Das ist ein Gefühl im ganzen Leib wie ein ständiges, angenehmes Prickeln! Davon greifen die Hände schneller und sicherer zu als je, der Fuß tippt einen fröhlichen Takt. Es atmet sich so leicht, als atme sie Weinduft!
Viele sehen auf sie.
Da ist zum Beispiel auf der Eisengalerie, die in halber Höhe um die Halle läuft, Pottschmidt der Große. Pottschmidt hat seinen dicken Arm auf das Geländer gestützt und sieht beobachtend hinab in die Halle und auf sein Prunkzelt und auf seine neue Verkäuferin. Dabei unterhält sich Pottschmidt mit Oppermann.
»Das flutscht!«, sagt Oppermann anerkennend, denn seine Augen haben dasselbe Ziel wie die von Pottschmidt. »Da haben Sie einen guten Griff getan, Pottschmidt!«
»Neue Besen kehren gut«, antwortet Pottschmidt warnend, den er ist ein wenig abergläubisch und möchte »die Neue« nicht »berufen« haben.
»Eine Weile hat sie in einem Blumengeschäft gearbeitet«, berichtet Oppermann, was Pottschmidt schon weiß. »Aber das war nicht das Rechte für sie – ein bisschen zu fein für sie, zu langstielig, verstehen Sie!«
»Langstielig ist sehr gut«, sagt Pottschmidt gnädig und lacht.
Oppermann, der jetzt erst kapiert, dass er einen Witz gemacht hat, lacht mit.
»Ich kenne sie«, sagt er schließlich, als das Lachen nicht mehr geht, »seit sie in die Halle kommt. Vorher war sie grade gegenüber – eine Tante von ihr. Sie können den Stand von hier
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