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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Der Unglücksfall
    »Nein, Herr Oppermann«, sagt Johannes Wiebe lächelnd. »Sie sind immer furchtbar nett zu mir gewesen, und Sie sind es auch jetzt wieder. Aber das hilft alles nichts. Ich muss weiter. Ich kann wirklich nicht länger bei Ihnen bleiben.«
    »Ich werde Ihnen was sagen, Herr Wiebe«, spricht Oppermann überredend. »Ich lege Ihnen fünfzig Mark im Monat zu. – Ich lege Ihnen hundert Mark zu!«, ruft er schnell, als er sieht, dass Johannes Wiebe lächelnd den Kopf schüttelt. »Ich versteh das ja. Es bedrückt ’n jungen Mann, wenn er weniger verdient als seine Braut. Ich darf doch Braut sagen, Herr Wiebe?«
    »Das dürfen Sie, Herr Oppermann!«
    »Nun also, sollen Sie ebenso viel verdienen wie das Fräulein Hanne! Einverstanden?«
    »Gut gemeint, Herr Oppermann. Aber verstehen Sie, es geht mir nicht ums Verdienen. Nicht nur. Aber ich muss mehr leisten, das hier bei Ihnen, das füllt mich nicht aus ...«
    »Kann ich auch verstehen«, sagt Herr Oppermann. »Ich bin ganz zufrieden mit meinem Laden, aber für einen jungen Menschen ist es natürlich alle Tage dasselbe. Aber das schaffen wir auch. Ich habe schon lange daran gedacht, wir nehmen noch einen jungen Mann, und dann versuchen wir es und machen den Import nicht mehr über Hamburg, sondern direkt. Sie können Spanisch, Sie können Italienisch ...«
    »Aber Portugiesisch kann ich nicht, und das brauchen wir auch dazu. Nein, Herr Oppermann, es ist alles herzlich gut gemeint, aber es geht wirklich nicht. Ich will einfach mehr leisten – meinen Kräften entsprechend. Ihre Arbeit hier können zwanzig andere ebenso gut leisten wie ich.«
    »Und Sie wollen eine Arbeit machen, die nur Sie allein können?«, fragt Oppermann. »Das hat Ihnen die Hanne eingeredet. Das ist so richtig das Mädel, die gibt keine Ruhe.«
    »Eingeredet nicht, aber Mut hat sie mir gemacht. So ist das, Herr Oppermann!«
    »Wenn man so bedenkt«, erinnert sich Oppermann schwermütig, »wie Sie damals zu mir kamen – zum Umblasen! Nicht eine Apfelsinenkiste habe ich Ihnen zugetraut! Und nun so! Sie haben sich mächtig rausgemacht, Herr Wiebe!«
    »Ich will es hoffen, Herr Oppermann. Einmal muss man ja seine Flaumfedern verlieren und das Fliegen lernen.«
    »Ach, zu den Fliegern wollen Sie?«, wundert sich Oppermann. »Ja, wenn das so ist! So was kann ich Ihnen freilich nicht bieten!«
    »Nein, nein, um Gottes willen nicht!«, ruft Johannes Wiebe lachend. »Sie haben mich ganz falsch verstanden. Nein, ich gehe an ein Werk.«
    »An ein Werk? Was für ein Werk?«
    »An ein Eisenwerk. Davon verstehe ich nämlich ein bisschen.«
    »Davon verstehen Sie also auch was! – Na also, muss ich mir zum Ersten eine neue Kraft suchen!«
    »Und Sie sind mir nicht böse, Herr Oppermann?«
    »Ich? I wo! Keine Spur! Wie komm ich denn dazu? Jeder muss selber sehen, dass er vorankommt, ’n Abend, Herr Wiebe!«
    »’n Abend, Herr Oppermann!«
    Johannes Wiebe packt also zusammen, um auch Feierabend machen zu können. Die Bücher werden eingeschlossen, die Schreibmaschine gesäubert und zugedeckt. Dann wäscht er sich und zieht sich sein Jackett an. Dabei pfeift er – seit jenem nun auch schon wieder fernen Tage, da er Hanne alles, was sein Herz bedrückte, gestanden hat, ist ihm immer leichter geworden. Es war, als gäbe es nun in ihm nicht mehr all die bösen Erinnerungen aus der Vergangenheit. Er hatte sie auf Hanne übertragen – sie quälten ihn nicht mehr.
    Seitdem fühlte er sich immer stärker und sicherer werden. Er fing an, sich im Leben umzusehen, und er entdeckte, dass dieses Leben in der Heimat gut zu leben war. Es gab nichts mehr, was ihn erschreckte oder ängstigte. Es lag auch keine Veranlassung mehr vor, sich ängstlich vor den andern zurückzuziehen. Jetzt empfand er ähnlich wie sie, und der, mit dem man ähnlich empfindet, wird bald zum Kameraden. Alle wollten – nach endlosen schweren Jahren – wieder vorwärtskommen. Nach einer jahrelangenerzwungenen Muße freute sich jeder wieder, eine vernünftige Arbeit zu leisten.
    Da brauchte es nicht vieler Worte von Hanne, dass er erkannte, die Arbeit bei Oppermann war nur ein Unterschlupf gewesen, eine Zuflucht. Damit eine Arbeit einen wirklich freute, durfte sie keine läppische Spielerei sein.
    Und, nachdem die beiden lange Zeit vergebens hin und her geraten hatten, welchem Beruf sich Hannes nun zuwenden sollte, war er plötzlich von selbst auf das geraten, an das sie schon lange gedacht hatte, das sie aber nicht

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