Dies Herz, das dir gehoert
oft Waren nicht hatte, die am Stande gegenüber die Kundschaft anlockten.
Und diese Kundschaft hatte sich geändert, sie änderte sich jeden Tag mehr. Dieselben Hausfrauen, die durch viele Notjahre hindurch sich geduldig und demütig hatten anschnauzen lassen, fanden heute, sie hatten es nicht nötig, sich von jemandem dumm kommen zu lassen, dem sie Ware für ihr gutes Geld abkauften. Frau Mahling aber, die nie besonders freundlich gewesen war, zeigte sich in dieser Zeit besonders unfreundlich – da gingen die Hausfrauen ...
Aber all dies wollte Tante Gustchen gar nicht wissen. All das, was hier zusammenkam, das sah sie nicht. An all ihrem Ärger, an all ihren schlechten Geschäften, an jeder Überarbeit war Hanne Lark schuld. In der vielen freien Zeit, die Tante Gustchen beobachtend am eigenen oder schmähend an Nachbarständen zubringen konnte, dachte und sagte sie oft: »Ich wünsche keinem Menschen was Schlechtes – Gott bewahre mich vor der Sünde! Aber wenn die mal so richtig reinfiele, wär es nur gerecht, und über Gerechtigkeit darf sich der Mensch freuen. Und ich tät’s. Ich gönnt’s ihr – und freute mich!«
Müde und abgeschlagen und in solcher Gemütsverfassung geht also Frau Mahling aus der Halle. Draußen ist es schon Nacht geworden, die Straßenlaternen brennen. Frau Mahling seufzt, sie denkt daran, dass Oskar nun schon zwei Stunden zu Hause sitzt und auf sein Abendbrot wartet, dass sie ihm berichten muss, die kleine Hilfe ist nun auch fortgelaufen, und sie müssen sehen, wie sie allein zurechtkommen. Oskar ist – bei den mannigfaltigen häuslichen und geschäftlichen Widerwärtigkeiten der letzten Zeit – nicht ganz so geduldig wie sonst. Ein paarmal hat er schon gesagt: »Hättste bloß die Hanne nicht rausgeschmissen, Guste!«
Als wenn sie sie rausgeschmissen hätte! Als wenn die mit ihrem Flaps nicht ganz von allein fortgelaufen wäre! Als wennTante Gustchen sich das gefallen lassen könnte, dass »ihr« junges Mädchen einen jungen Mann in ihre Kammer ließe!
»’n Abend, Tante Juste«, sagt eine raue Stimme aus einem Torweg.
Eine untersetzte Gestalt taucht aus der Dunkelheit auf und verstellt der Tante den Weg.
»Ach herrje!«, fährt Frau Mahling aus ihren zornigen Überlegungen auf. Sie ist sehr erschrocken. Wie alle Übergerechten hat sie eine übergroße Angst vor Dieben und Mördern. Sie drückt ihre lederne Geldtasche fest an sich und lässt sie auch nicht loser, als sie den erkennt, der sie so erschreckt hat.
»So, bist du das, Emil?«, fragt sie mit viel Schärfe. »Mach man gleich, dass du weiterkommst! Mit dir hab ich nichts mehr zu schaffen!«
»Aber warum denn nicht, Tantchen?«, fragt Emil Schaken höchst erstaunt. »Wat haste denn jejen mir? Dir hat wohl die Kleene ’n Floh ins Ohr jesetzt?«
»Mit einem, der mir meine Wechselkasse stiehlt«, erklärt Frau Mahling entrüstet, »hab ich nichts mehr zu tun. Und ich bin auch gar nicht deine Tante, und du bist nicht richtig verwandt mit mir!«
»Siehste!«, sagt Emil und pfeift langgezogen durch die Zähne. »Det hab ick mir doch beinah jedacht! Biste den beiden also ooch uffen Leim jekrochen, Tante Juste!«
»Ich red überhaupt nicht mit dir!«, sagt die Tante abwehrend, hörte aber doch eifrig zu.
»Det war doch ’ne Schiebung von denen«, erklärt Emil Schaken. »Soll ick dir saren, wie’t wirklich war? Ick bin doch denen nachjestiegen, weil ick weiß, du machst det nich haben, auf die Bude und Sittlichkeit und so. Und da ha’ ick ihnen ooch richtig jeschnappt, du vastehst mir, Tantchen,du vastehst mir! Na, die aber ooch nich dumm, jleich zur Polente, ick habe ihr jeschlagen, und dabei hat er mir ausgeknockt! Und wie ick so richtig wach werde, ist der Polizist doch wirklich über mir und dein schönet Wechseljeld klimpert in meine Taschen. Det muss mir doch warraftig eens von den beiden rinjestochen haben – ick sare ja nicht, et war die Hanne!«
Etwas atemlos schließt Emil Schaken die Erklärungen über sein Missgeschick ab; er hat lange Zeit gebraucht, sie sich zurechtzulegen, nun scheinen sie ihm aber auch völlig befriedigend.
Freilich ist Tante Mahling, trotz ihrer Erbitterung, nicht ganz so verblendet, wie er sich das denkt. »Ach, geh doch!«, sagt sie wegwerfend. »Das ist ja alles gelogen, was du mir da erzählst!«
»Auf Ehre und Jewissen, Tante Gustchen!«, versichert Emil Schaken, aber mehr geschäftsmäßig. »Det is so wahr wie’t Evangelium!«
»Du sollst dich nicht versündigen,
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