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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Herr Oberarzt Leer, nicht wahr? Sie lenken mit sorglicher Hand die Geschicke Ihrer Patienten?«
    Der Arzt schnaufte. »Ich bin bloß ein fetter Mann, der bequem wird«, sagte er. »Wenn Sie diese Bestellung machen, sparen Sie mir viel Mühe, gnädige Frau.«
    »Sie sind gerissen, Herr Doktor«, sagte Frau Wiebe lächelnd. »Geschäftlich würde ich Sie nur mit äußerster Vorsicht genießen. Aber immerhin. Ich will mich einmal von ihnen lenken lassen. Wie erreiche ich das junge Mädchen? Wie heißt sie überhaupt?«
    Der Arzt sagte bedauernd: »Ich habe keine Ahnung. Wirklich, ich weiß nicht einmal ihren Namen. Das Wort ›Hanne‹ habe ich eben zum ersten Male gehört. Sie müssen bedenken, in jener Nacht hatten wir nicht viel Zeit für Förmlichkeiten.«
    »Aber wie soll ich sie finden?«
    »Wie gesagt, die Freundin Ihres Sohnes ist seitdem nicht wieder hier gewesen. Aber jeden Tag kommt eine Bekannte von ihr und erkundigt sich nach unserm Patienten. Wenn Sie sich mit der in Verbindung setzen wollen? Ich werde Bescheid sagen lassen, dass man sie zu Ihnen schickt.«
    »Gut, Herr Doktor Leer. Ich werde dann alles veranlassen. Wann meinen Sie, dass sie kommen soll?«
    »Nun, sagen wir, morgen früh um neun. Und noch eins: Denken Sie es sich nicht so leicht, gnädige Frau ...«
    »Was – leicht?«
    »Also, ich würde das junge Mädchen persönlich bitten, nicht durch Boten.« Der Arzt, schon im Gehen, lachte wieder. »Dies als Ihr kleiner Herrgott gesagt, gnädige Frau!«
    Und er ging, schwerfällig, aber lächelnd. Ein wenig unwillig sah ihm Frau Wiebe nach.
Heilsamer Klatsch
    »Das junge Mädchen ist eben gekommen«, meldete eine Schwester, und Frau Wiebe erhob sich von der Couch, auf der sie lesend gelegen.
    »Ich komme sofort, Schwester«, sagte sie und trat noch einmal an das Bett des Kranken. Sie sah auf ihn herab, der da den tiefen Schlaf der Erschöpfung schlief.
    »Dummer, törichter Junge!«, flüsterte sie leise und strich ihm die Haare aus der Stirn.
    »Ich denke, in einer halben Stunde bin ich wieder zurück«, sagte sie zu der strickenden Schwester am Krankenbett. Dann ging sie langsam, sich unter der Tür noch einmal umschauend, aus dem Zimmer.
    Das Mädchen auf dem Gang sah ihr entgegen, mit einem schwachen, ungewissen Lächeln.
    »Ich bin Frau Wiebe«, sagte Frau Wiebe. »Die Mutter von Johannes. Und Sie wollen die Freundlichkeit haben, mich zu seiner – Freundin zu führen?«
    »Gerne, gnädige Frau. Es geht ihm besser, sagte der Arzt ... Oh, ich freue mich so, dass ich Hanne ...«
    »Ja, es geht ihm ein wenig besser. Nur müssen ihm natürlich alle Aufregungen erspart bleiben. Darum haben wir ja auch sofort seinem Wunsche nachgegeben, als er nach seiner Freundin verlangte.«
    »Darum«, wiederholte Marie Jäckel mit leiser Enttäuschung.
    »Und Sie glauben, dass Ihre Freundin sich zusammennehmen wird? Dass sie nicht aufgeregt sein, keine Weinszene machen wird?«
    »Die Hanne? Selbstverständlich wird sie ruhig sein!«
    »Nun, so selbstverständlich ist das bei den jungen Mädchenvon heute nicht! – Übrigens, wie heißt Ihre Freundin eigentlich? Hanne – ich nehme an: Johanna ...«
    »Alle nennen sie Hanne! – Hanne Lark heißt sie.«
    »Und wer sind diese ›alle‹?«
    »Nun, jedermann in der Halle. Sie ist so bekannt, jeder mag sie ...«
    »In was für einer Halle?«
    »Aber in der Zentralmarkthalle doch! Sie verkauft doch dort – Obst und Gemüse für Herrn Pottschmidt, der das große Geschäft am Kurfürstendamm hat!«
    »Ja, mein liebes Kind, das wusste ich wirklich nicht. Ich habe bis vor einer Stunde überhaupt noch nichts von der Existenz von Fräulein Johanna Lark gewusst! Verkäuferin also in der Markthalle ...«
    »Er hat Ihnen nichts von ihr erzählt?«
    »Der Arzt?«
    »Nein, Hannes!«
    »Mein Sohn Johannes hat keine zehn Worte sprechen können. Darum bin ich ja auch etwas besorgt über den Verlauf dieses Wiedersehens.«
    »Und hat gleich nach Hanne gefragt – bei zehn Worten! Das muss ich Hanne erzählen, das wird sie freuen!«
    »Unzweifelhaft«, sagte Frau Wiebe. »Aber vielleicht gehen wir jetzt?«
    Nebeneinander gingen sie schweigend den Korridor entlang, stiegen die Treppe hinunter. Der Ton zwischen ihnen beiden war immer kühler geworden; das ängstliche, scheue Herz von Marie Jäckel war zusammengeschreckt bei der Haltung kühlen Anstandes, die des Hannes Mutter einnahm. Und empörte sich doch zugleich mit all seinen schwachen Kräften. Nun gut, Frau Wiebe war eine

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