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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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tauschte hinter dem Rücken von Frau Wiebe mit der Schwester einen Blick. In hilfloser Verzweiflung rollte er die dicke Schulter. Dann trat er einen Schritt näher ans Bett, sah scharf auf den Kranken.
    Der hatte seinen halb ängstlichen, halb verwunderten Blick über die Wände gehen lassen.
    »Meine Bilder, meine Bücher ...«, sagte er leise. »Oh, das ist schön, als wenn ich gar nicht fortgewesen wäre ... Aber ich bin doch fortgewesen?«, fragte er plötzlich und fragte es nicht die Mutter, sondern den Arzt.
    Statt des Arztes sagte die Mutter rasch: »Es ist nun, als wärest du nie fortgewesen, Hannes! Du kommst zu mir, in dein altes Reich ...«
    Johannes Wiebe bewegte ungeduldig den Kopf. Er fragte den Arzt: »Und wo ist Hanne?«
    Stille. Der Arzt betrachtete seinen Kranken stumm.
    Die Mutter sah erschrocken in des Sohnes Gesicht.
    »Wo habt ihr Hanne gelassen?«, fragte er erregt und versuchte, sich aufzurichten, um das ganze Zimmer übersehen zu können.
    »Halt, mein Freund«, sagte der Arzt rasch und legte ihn zurück in seine Kissen. »Jetzt beginnt unsere Schlafenszeit. Ganz ruhig, mein Freund. Ich verspreche Ihnen, schlafen Sie gut, wird die Hanne an Ihrem Bett sitzen, sobald Sie aufwachen. Ist das gut?«
    »Sie versprechen es mir, Herr Doktor?«
    »Auf mein Wort! – Und nun schlafen Sie wieder ein, Herr Wiebe – aber erst sagen Sie noch Ihrer Mutter gute Nacht!«
    Johannes Wiebe hob langsam den Blick zur Mutter. »Gute Nacht, Mutter«, sagte er.
    Der Arzt zitterte, dass Frau Wiebe noch ein Wort sagen, eine Frage stellen könnte. Aber sie bezwang sich, sosehr siees bekümmern mochte, dass der Sohn seit seiner Frage nach dieser Hanne sie nicht mehr angesehen hatte.
    Sie sagte freundlich: »Gute Nacht, Hannes, schlaf dich gesund!«
    »Gute Nacht, Mutter«, sagte der Sohn und schloss die Augen.
    »Kommen Sie, gnädige Frau«, sagte der Arzt. Und zur Schwester: »Ich sehe nachher noch einmal herein.«
    Die beiden traten auf den Gang hinaus, die Tür des Zimmers schloss sich.
    »Was heißt das, Herr Oberarzt?«, fragte Frau Wiebe mit einiger Schärfe. »Wer ist diese Hanne? Warum haben Sie mir kein Wort von ihr erzählt?«
    »Jetzt kommt das Verhör«, sagte der Arzt lächelnd. »Aber setzen Sie sich, gnädige Frau!«
    Frau Wiebe setzte sich mit einer ungeduldigen Bewegung.
    »Auf diesem selben Sessel saß in der Nacht seiner Einlieferung« – Kopfbewegung zur Tür hin – »ein junges Mädchen namens Hanne ...«
    Frau Wiebe machte eine Bewegung, als wolle sie aufstehen.
    Der Arzt lächelte.
    »Dieses junge Mädchen hatte grade den Entschluss gefasst, einen sehr schwer erkämpften Entschluss wohlgemerkt, gnädige Frau, den Platz am Bett unseres Kranken der Mutter einzuräumen. Sie war die Einzige, die Ihren Namen und Ihre Adresse kannte, sie war also auch die, von der Sie angerufen wurden. Ehrlich gesagt, ich wusste, dass die Anruferin nicht im Wachtbuch stehen würde.«
    »Und warum haben Sie mir bisher nichts davon gesagt, Herr Doktor? Ich hätte es doch richtiger gefunden. Ichmuss gestehen, ich war völlig verwirrt, als mein Sohn nach dieser Hanne fragte. Er sah mich nicht einmal mehr an!«
    »Auf den Wunsch des jungen Mädchens, gnädige Frau. Sie hatte mich ausdrücklich darum gebeten.«
    »Lieber Herr Doktor Leer!«, sagte Frau Wiebe sichtlich erleichtert. »Das ist alles recht hübsch von diesem jungen Ding! Wirklich, es freut mich, dass sie so viel Takt zeigt. Nun werde ich ihr aber zeigen, dass ich auch nicht kleinlich bin. Ich werde sie hierherbitten. Sie kann gerne eine halbe oder eine Stunde am Bett von Hannes sitzen. – Du lieber Gott, wenn sie mich gekannt hätte, sie hätte nicht so ängstlich sein müssen! Von meinem anderen Sohn bin ich andere Dinge gewöhnt.«
    Sie sah einen Augenblick hart aus. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Also, Sie benachrichtigen sie irgendwie?«
    »Gerne, gnädige Frau, nur, meinen Sie, sie wird auch kommen?«
    »Warum sollte sie nicht kommen, wenn Sie es ihr sagen lassen?«
    »Sie hat Ihnen den Platz geräumt, gnädige Frau. Vielleicht wäre es Ihnen möglich, das junge Mädchen zu rufen?«
    »Mir? Sie meinen, ich sollte sie selbst ...«
    »Ja, das meine ich. – Es war wirklich auf der andern Seite kein ganz leichter Entschluss!«
    Frau Wiebe dachte nach.
    »Es ist ein bisschen sehr ungewöhnlich!«, sagte die Dame. »Und etwas viel verlangt, scheint mir, dass ich die Freundin meines Sohnes ...« Sie lächelte. »Sie sind hier so eine Art kleiner Herrgott,

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