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Dies Herz, das dir gehoert

Dies Herz, das dir gehoert

Titel: Dies Herz, das dir gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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von einer Kiste, die auf ihn gefallen ist. Wissen Sie da wohl näher Bescheid?«
    »Aber natürlich, gnädige Frau!«, sagte Marie Jäckel eifrig. »Ich weiß alles. Und es war gar kein Unglücksfall, sondern ein schlechter Kerl, der auf Hannes eifersüchtig war und der Hanne eins auswischen wollte, hat die Kiste absichtlich auf ihn hinuntergestoßen! Das heißt: eigentlich galt sie Hanne, Hannes ist nur dazwischengesprungen ...«
    »Das sind ja unglaubliche Geschichten!«, rief Frau Wiebe und blieb nun wirklich aufgeregt stehen. »So etwas gibt es noch! Und in solchen Kreisen hat mein Sohn gelebt! Nein,da wird es wirklich die allerhöchste Zeit, dass ich eingreife und mit all diesen Unsinnigkeiten Schluss mache!«
    »Aber, gnädige Frau«, sagte Marie Jäckel bestürzt, denn diese Reaktion auf ihre Mitteilungen hatte sie nicht erwartet. »Schlechte Menschen gibt es doch überall, nicht nur in der Markthalle.«
    »Nein, nein, mein Fräulein!«, sagte Frau Wiebe energisch. »Nicht diese Art Schlechtigkeit, die um irgendeines Mädchens willen andre mit dem Tode bedroht! Mit einer Kiste werfen, ich habe nie so etwas gehört!«
    »Hanne ist nicht irgendein Mädchen!«
    »Ihre Hanne in allen Ehren, mein liebes Fräulein Jäckel, ich kenne sie nicht und möchte sie ...« Frau Wiebe brach ab. »Aber das sind Kreise, die sind nichts für uns, weder für mich noch für meinen Sohn.«
    »Es gibt überall schlechte Menschen«, wiederholte Marie Jäckel mit festerer Stimme.
    »Schön. Oder vielmehr nicht schön. Aber mir werden Sie schon erlauben müssen, meinen Sohn den Gefährdungen durch diese schlechten Menschen zu entziehen. In meiner Hut, in meinem Hause ist er sicher.«
    »In Ihrem Haus!«, rief Marie Jäckel, und jetzt war sie von all dem Mut beseelt, der wie ein Strahl vom Himmel, immer gänzlich unvorbereitet, die Sanften befällt. »In Ihrem Haus ist er also sicher, aus dem er bei Nacht und Nebel, als er elend und krank aus der Welt zurückkam, vom eigenen Bruder vertrieben wurde? Da ist er vor Schlechtigkeit also sicher – aber da sitzt ja die allergrößte Schlechtigkeit selber im Haus!«
    »Was, Mädchen!«, sagte Frau Wiebe leichenblass und hielt Marie Jäckel krampfhaft an der Schulter fest. »Was reden Sie da? – Er ist nie wieder in unser Haus gekommen! Ich war in Hamburg ...«
    »Und er hat dem Bruder, der ihn verhöhnte, die Schlüssel vor die Füße geworfen! Der Emil Schaken, der ihn mit der Kiste getroffen hat, der ist bloß ein halbes Tier mit einem viertel Verstand, aber sein Bruder, ihr ältester Sohn, der soll ein kluger Mensch sein – wer ist da der schlechtere von den beiden, der aus unsern Kreisen, wie Sie sagen, oder der in Ihrem Haus?«
    »Mädchen«, sagte Frau Wiebe, »das war ein bisschen viel für mich. Sehen Sie zu, dass ich bald zum Sitzen komme! Meine alten Beine wackeln unter mir, es ist mir, als hätte ich keine Knie mehr ...«
    »Oh, gnädige Frau! Ich bin ein schlechtes Mädchen. Ich hätte Ihnen das nicht sagen sollen! Wir haben uns doch alle drei das Wort gegeben, nie und zu keinem davon zu sprechen! Aber Sie haben mich so böse gemacht mit dem Reden von unsern Kreisen und von Hanne ... Und Hanne ist es doch gewesen, die sich seiner erbarmt hat, als es ihm so schlechtging und er so verzweifelt war! Hanne hat sich von Onkel und Tante aus dem Hause jagen lassen, weil sie ihm durchaus selbst helfen wollte! Hanne hat ihm Mut gemacht und wieder Freude an der Arbeit gelehrt und dass er wieder vorwärtskommen will! Und Hanne hat’s für ihn ohne ein Wort ertragen, dass die Leute sie verlästern, weil er sie nicht heiratet. Er hat nämlich nie in Ihr Haus gewollt wegen seiner Papiere, sonst wären sie längst verheiratet. Und sie müssen’s auch sein, denn lange dauert es nicht mehr, dass Hanne ... Ach, gnädige Frau, nun habe ich das auch noch ausgeschwatzt, und ich habe der Hanne doch mein Wort gegeben ... Er weiß das doch noch nicht einmal.«
    »Komm, komm, Kind. Weine bloß nicht. Wir sind alle beide alte Klatschweiber, aber das sage ich dir, ich habe noch nie durch eine Klatscherei so viel gelernt wie durchdiese. Gottlob, dass ich mit dir gegangen bin, ich hätte ja bei der Hanne in den ersten fünf Minuten mehr verdorben, als ich in fünf Jahren wiedergutmachen kann ... Der Oberarzt Leer ist wirklich wie ein kleiner Herrgott.«
    Und Frau Wiebe lächelte.
    »Wie meinen Sie das, gnädige Frau?«, fragte Marie Jäckel verwirrt.
    »Ach, nichts. Ich sprach nur von dem Arzt, der Hannes

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