Dies Herz, das dir gehoert
habe die Sache großartig gemacht; aus einer sentimentalen und kitschigen Fabel sei doch noch ein lebenswirkliches Geschehen geworden. »Ausgezeichnet finde ich alle Szenen in der Halle, aber auch die im Krankenhaus (die Figur des Arztes ist unerhört echt), prächtig die Mahlings, besonders das giftige Gustchen, überzeugend die Schurken Thomas Wiebe und Emil Schaken.« Und dann am 21. November ein Telegramm von Froelich: »Gratuliere Ihnen und uns zu dem Buch.«
Zu diesem Zeitpunkt scheint Fallada noch eine ganz gute Meinung über seine abgelieferte Arbeit zu haben. Er kann sie nicht überbewertet haben, denn dass er nicht nur die »Richtlinien«, sondern auch ein unkritisches Unterhaltungsbedürfnis bediente, muss ihm bewusst gewesen sein. Aber er hat auch viel von seiner Lebens- und Schreiberfahrung einfließen lassen und aus den Vorgaben originelle Figuren entwickelt und vor allem eine Liebesgeschichte in einer Konstellation, die ihm am Herzen liegt: der lebensschwache Träumer und die starke Frau, die ihm zum Glauben an sich selbst verhilft. In der einfachen, schlichten Konstruktion des Märchens, in der das Gute über das Böse siegt, legt Fallada sein erzählerisches Gewicht auf das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Liebenden, die sich endlich als Gebende und Nehmende immer ähnlicher werden.
Das »Mädchen aus dem Volk« sollte es sein, das dem Grübler und Zweifler die frohe Botschaft von der Volksgemeinschaftnahebringt. Fallada versucht, diese Aufgabe zu unterlaufen, und überzeugender als Hannes Lehrsätze aus dem Propaganda-Apparat ist für den Heim-ins-Reich-Kehrer dann doch die Wirkung ihrer Persönlichkeit. Fallada erklärt das Froelich, am 14. Oktober, und zwar so diplomatisch, dass dieser gar nicht anders kann, als die Kröte zu schlucken. Er habe sich genau an das gehalten, was man ihm gesagt habe, nur würde er den Begriff »Volk« nicht so sehr betonen. »... ich habe ein unverbildetes, freies, gläubiges Mädchen, das in seiner Liebe und in seinem Glauben stark ist, geschildert. Es ist eine schöne Mädchenfigur geworden, die dem Helden wirklich ohne Rederei durch ihr bloßes ›Sein‹ hilft und aufrichtet – das müßte die Rolle für jede Frau sein, die wirkliche, mätzchenfreie Liebe spielen kann.«
Es ist die Rolle, die Froelich für Zarah Leander vorgesehen hat. Fallada und Ledig sind sich in ihrer Skepsis einig. »Weiß der Henker«, meint Fallada, »was er sich unter einem einfachen Mädchen aus dem Volk für Zarah vorgestellt hat.« Und Ledig: »Ich nehme aber an, daß sie ihren obligatorischen Song schon an irgendeiner Stelle los werden wird.«
Im Dezember erfährt Fallada, dass Mathias Wieman den Johannes Wiebe spielen will. Es finden mehrere Gespräche zur Überarbeitung des Treatments statt. Was und wie Fallada überarbeiten soll, geht aus dem Briefwechsel nicht hervor, wohl aber, dass ihm von nun an die Arbeit immer verhasster, die Geschichte immer fremder wird. »Leander-Bockmist« nennt er sie dem Freund Peter Zingler gegenüber. Am 5. Januar 1940 meldet er an Ledig, dass er sich, »bewaffnet mit den Froelich-Vorschlägen«, wieder an die Arbeit macht, am 15. Januar, dass eine »völlige Umarbeitungbesprochen« ist. Mindestens ein Drittel, wahrscheinlich die Hälfte, das steht fest, wird er umschreiben müssen – »eine Arbeit zum Kotzen«. Er bittet Ledig, wenn er das Manuskript später lesen wird, immer zu bedenken, dass jede Änderung vom Studio veranlasst worden ist. »Und Wünsche haben diese Leute! Und eine Phantasie – wie die Köchinnen! Na, Geld wird nicht bei Tage verdient!« (5. Februar)
Die Bearbeitung soll er nach den Randbemerkungen in den Manuskripten vornehmen. Auch Mathias Wieman hat Vorschläge gemacht, seine Bemerkungen beziehen sich auf ganze Szenenfolgen. Als Fallada Anfang Februar von dem Direktor des Studios, Friedrich Pflughaupt, die Nachricht erhält, seine Umarbeitungen zu unterbrechen, um noch einmal weitere Weisungen abzuwarten, ist er »völlig verzweifelt« und klagt über die »deprimierenden Arbeitsbedingungen«. Am 25. Februar schickt er dann die zweite Fassung – über die Hälfte ist neu – an das Studio Froelich. Anfang April hört er von Pflughaupt, dass die zweite Fassung im Studio nicht gut angekommen sei. Für die Drehbuch-Arbeit sollen trotzdem beide Fassungen benutzt werden. Fallada ist enttäuscht über den Misserfolg seiner monatelangen Arbeit, räumt aber ein: »Freilich ist sie eben gestückelt und nicht gewachsen.«
Weitere Kostenlose Bücher