Dies Herz, das dir gehoert
vornherein gegenüber dem »Hauptstück« herunterzuspielen, nicht streichen, bedient sie doch am vordergründigsten nationalsozialistische Propaganda. Noch einmal, am 11. November, äußert Fallada Ledig gegenüber die Vermutung (Hoffnung?), dass »sie« – die Froelich-Leute – »das ganze Vorspiel weglassen werden, denn sie wollen ja einen Leander-Film drehen«. Heinrich Maria Ledig macht von dem Moment an, als er das Manuskript in den Händen hat, kein Hehl aus seiner Meinung zum Vorspiel. »Ganz wie Sie finde ich, daß der Film auf das Vorspiel verzichten sollte.« Und im selben Brief vom13. November versucht er, Fallada auf die Notwendigkeit einer Umarbeitung vorzubereiten, wenn es zum Vorabdruck des Manuskriptes in einer Zeitung oder zur Buchausgabe kommen sollte, die er für den Zeitpunkt ins Auge fasst, sobald der Film fertig ist: »Auch da müßte man das Vorspiel wohl fortlassen, fragt sich nur, ob man dann nicht das Manuskript doch noch etwas umschweißen müßte und ob Sie dazu Lust haben?«
Ledig, der um Falladas Not weiß, sich sein Amerika-Bild aus zweiter Hand zu besorgen, gibt seinem Autor Hinweise, wie er mit benutzter Literatur umzugehen hat, und in diesem Zusammenhang fällt der Name Smitter. Gemeint ist offensichtlich das Buch »Ein Mann – und etwas mehr« von Wessel Smitter, aus dem Amerikanischen übersetzt von Wolfheinrich von der Mülbe und 1939 in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen. Es ist möglich, dass Ledig, exzellenter Kenner der amerikanischen Literatur, Fallada dieses Buch selbst empfohlen hat. Roman aus Detroit, lautet sein Untertitel, und viele Details über die Fließbandarbeit, die Johannes Wiebe in dem Detroiter Motorenwerk bis in die Alpträume hinein peinigt, hat Fallada offenbar hieraus – bis hin zu jenem disziplinarischen Spaziergang zum Einlasstor, den der Werkmeister mit Johannes macht, um ihm die Schlangen der Arbeitsuchenden zu zeigen, getrennt in Weiße und Farbige.
Trotz des eigenen unguten Gefühls und trotz der Kritik Ledigs lässt Fallada auch in den späteren Fassungen dieses Vorspiel stehen. Es hat eine gewisse dramaturgische Funktion, weil hier die Knoten geschürzt werden, die eine liebende Hand später zu entwirren hat. Es geht allerdings mit den Zugeständnissen an deutsch-nationalen Chauvinismus und – ausgerechnet! – an Rassismus weiter als die Konzessionen,die Fallada im Hauptteil macht. Warum? Haben die »Richtlinien« es ihm abverlangt? Warum verleugnet sich Fallada, der Anwalt der kleinen Leute, der Ankläger sozialer Ungerechtigkeiten derart selbst? Hier liegen die Widersprüche im Leben Falladas, der – ein »unerwünschter Autor« – den Nationalsozialisten gegenüber zwar voller Vorbehalte, zu bestimmten Kompromissen aber auch bereit war, wie er in seinen Erinnerungen an die Umarbeitung des »Eisernen Gustav« auf Goebbels Wunsch selbst bekannte: »Ich liebe nicht die hohe Geste, vor Tyrannenthronen mich sinnlos, niemandem zum Nutzen, meinen Kindern zum Schaden, abschlachten zu lassen, das liegt mir nicht ...«
»Aber jetzt bin ich in und um die Zentralmarkthalle tätig, und da fühle ich mich wohl«, schreibt Fallada in jenem Brief vom 7. Oktober an Froelich. Mit dem Hauptstück ist Fallada wieder bei dem Stoff, den er kennt und der ihm liegt. Er weiß, wie die Leute, über die er nun erzählt, aussehen und reden, sei es ein Berliner Wachtmeister, ein Arzt oder ein Obsthändler. Jetzt fällt auch das Statische der Amerikasequenzen weg, und von der Idee, lose Skizzen zu schreiben, die noch bei den »Reisebildern« existiert haben mag, hat sich Fallada offensichtlich verabschiedet. Ledig erhält Meldungen über den Fortgang der Arbeit: »... ganz gut in Gang gekommen« (5. Oktober), »... gut zwei Drittel liegen hinter mir« (14. Oktober), und antwortet: »Ich muß schon sagen: ›Romankacker‹ ist für solche Leistungen schon gar nicht mehr die ausreichende Bezeichnung.« Am 20. Oktober beendet Fallada die Niederschrift – 168 Seiten – und macht sich, weil er keine Sekretärin gefunden hat, der er diktieren könnte, selbst ans Abschreiben: »seufzend, zähneknirschend und mich vertippend«. Auf jeden Fall will er den Ablieferungstermin halten, und tatsächlich schickt eram 5. November drei Exemplare an Carl Froelich und eine Kopie an den Rowohlt-Verlag.
Ungeduldig wartet Fallada auf Reaktionen. Endlich der Brief von Ledig, der neben den erwähnten Passagen zum Vorspiel dem »lieben Meister« viel Lobendes zu sagen hat: Er
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