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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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darauf achten, dass die Leitungen nicht einfroren. Bei unter fünfzehn Grad minus sollten sie das Wasser in der Küche laufen lassen, wenn sie zu Bett gingen. Das schien eine fixe Idee von ihr zu sein, denn sie rief zweimal aus Italien an, um sich zu vergewissern, dass mit den Wasserrohren alles in Ordnung war – sie habe gehört, der Winter sei extrem kalt. »Sie merkt nicht mal, dass sie projiziert, diese frigide Zicke«, sagte seine Mutter. »Rohre – so ein Quatsch«, schnaubte sein Vater. »Sie will uns nur damit beeindrucken, dass sie in der Toskana ist, während wir hier in Scheiß-Indiana sitzen.« Aber in derselben Nacht kam ein arktischer Kälteeinbruch, die Rohre platzten, und am nächsten Morgen stand das ganze Erdgeschoss unter Wasser.
    Schließlich vermietete man nicht mehr an die Griffins oder verlangte gewaltige Kautionen und schloss alles, was irgendwie von Wert war, in einer Kammer ein. Diese letztere Taktik funktionierte jedoch nicht, denn eine verschlossene Tür stellte sowohl einen Affront als auch eine Herausforderung dar, und hier offenbarte sich das einzige Geschick von Griffins Vater: das Öffnen billiger Vorhängeschlösser. Als Griffin auf die Junior High School ging, wohnten sie nur noch in feuchten, zugigen, heruntergekommenen Häusern unweit denen der Studentenverbindungen, und selbst diese sahen danach schlimmer aus als vorher. »Mit Häusern hat man nichts als Ärger«, sagten seine Eltern immer wieder und jedes Mal, wenn etwas schiefging, aber selbst als Junge wusste er, dass die deutlich weiter verbreitete Ansicht lautete, Häuser seien prima, es seien vielmehr die Griffins, mit denen man nichts als Ärger habe.
    Der Standpunkt seiner Eltern war, mit einem gemieteten Haus sei man einfach flexibler und habe, wenn ein Angebot von Swarthmore oder Sarah Lawrence kam, kein unverkäufliches Haus im Scheiß-Mittelwesten am Bein. Und das Geld, das sie damit sparten, würde dann natürlich als Anzahlung zur Verfügung stehen, wenn sie endlich das richtige Anwesen auf dem Cape fanden. Nur dass sie es nie schafften, etwas zu sparen. Sie verkörperten geradezu die Ahnungslosigkeit des professionellen Geisteswissenschaftlers im Umgang mit Geld. Sie kauften impulsiv, oft Dinge, die montiert werden mussten – sie sagten: Das kann ja nicht so schwierig sein, und fanden heraus, wie schwierig es war. In jedem Regal gab es ein Bord, dessen raue Kante nach vorn zeigte. Wenn man die obere rechte Schublade eines Schreibtischs öffnete, glitt aus purer Sympathie auch die obere linke auf. Und außerdem hatten seine Eltern ein Faible für zum Scheitern verurteilte Technologien wie Achtspurkassetten und Betamax-Rekorder.
    Diese Nachlässigkeit zeigte sich verstärkt im Umgang mit Automobilen. Sein Vater spezialisierte sich auf Heckzusammenstöße auf dem Parkplatz von Lebensmittelläden und Einkaufszentren. Alle diese Unfälle geschahen ohne jede Vorwarnung. Das erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, war der Aufprall selbst, gefolgt vom Kreischen sich verformenden Metalls, dem Klirren von Glas und einem Augenblick tiefer Stille, bevor sein Vater in den Rückspiegel sah und sagte: »Wo kam der denn jetzt her?« Als Kind war Griffin bei den meisten Unfällen dabei gewesen, seines Wissens nie angeschnallt, und er erinnerte sich, dass er oft einen steifen Hals gehabt hatte. »Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sechzehnjährige mit Führerschein auf Probe niedrigere Prämien zahlen als wir?«, beklagte seine Mutter sich bei ihrem Versicherungsagenten. »Sechzehnjährige bauen weniger Unfälle als Sie«, erwiderte er.
    Dem Polizisten, mit dem er auf dem Raststättenparkplatz gesprochen hatte, war aufgefallen, dass der eingedellte Kofferraum des Wagens, Beweis für einen kürzlichen Unfall, mit einem Spanngummi zugebunden war, und Griffin musste ihm zum einen erklären, dass es weit ungewöhnlicher gewesen wäre, hätte der Wagen keinen eingedellten Kofferraum gehabt, und zum anderen, dass sich der Unfall wahrscheinlich schon vor einiger Zeit ereignet hatte. Sein Vater sei ein Mann gewesen, für den Spanngummis eine Dauerlösung gewesen seien, die zumindest so lange halten würden wie der Wagen selbst. »Er war Professor für Englisch«, erläuterte er.
    In den ersten Jahren ihrer Ehe, als der Große Truro-Traum vorerst auf Eis lag, lebten Griffin und Joy beinahe so nomadisch wie seine Eltern und zogen von einer Wohnung in die andere, wie man es in L.A. tat, wenn man jung war und in »der Branche«

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