Diese alte Sehnsucht Roman
arbeitete. Mal lag die neue Wohnung näher am Meer, mal näher am Arbeitsplatz. Oder es war eine Wohnanlage mit besserer Ausstattung – einem schöneren Pool oder Jacuzzi, einem gepflegteren Tennisplatz – eröffnet worden. Einmal zogen sie um, damit sie es nicht so weit zu einem ihrer Lieblingsrestaurants hatten. Sobald sie sich etwas eingelebt hatten, waren sie sich jedes Mal einig: »Diese Gegend ist so viel besser – warum sind wir nicht schon viel früher hierhergezogen?« Sie hatten und wollten nicht viel, Freunde wie Tommy und seine Frau Elaine halfen ihnen bei den Umzügen, sodass diese irgendwie sogar Spaß machten, und selbstverständlich revanchierten sie sich. Damals hatten sie noch keine Kniebeschwerden und steife Rücken. Ständig gab es irgendwelche Einzugspartys. Auch Joy genoss das Gefühl, frei und ungebunden zu sein, in teuren Restaurants zu essen und mal eben nach Mexiko zu fahren, wenn Griffin und Tommy einen lukrativen Deal an Land gezogen hatten. Sie und Elaine waren gut befreundet und legten sich gern an den Pool, während »die Jungs« auf dem Balkon über ihnen an der Reiseschreibmaschine saßen und gegen den Abgabetermin anschrieben.
Aber dann trennten sich Tommy und Elaine, und mit einem Mal begann sich alles zu verändern. Zunächst hauptsächlich Kleinigkeiten. Zum Beispiel: Joy hatte ihr Haar immer lang und offen getragen, was Griffin sehr gefiel, doch eines Tages kam er nach Hause, und sie war kurz geschoren und gestylt. »Ich kann es einfach föhnen«, sagte sie. »Zehn Minuten, und ich bin fertig.« Er bezweifelte, dass es überhaupt so lange dauern würde. Dann andere Dinge. Hatte Joy früher einen oder zwei BHs besessen, die sie nur getragen hatte, wenn sie ihre Eltern besuchte, so war die oberste Kommodenschublade jetzt plötzlich voll davon, und als er sie danach fragte, gab sie zur Antwort, er erwarte doch wohl nicht, dass sie bis an ihr Lebensende keinen BH trage, oder? Eine offenbar rhetorische Frage. Etwas später sagte sie: »Gestern Morgen bin ich aufgewacht und hab aus irgendeinem Grund an Truro gedacht.« Ihr sei »aus irgendeinem Grund« eingefallen, dass das Leben, das sie führten, nicht das war, das sie sich vorgestellt hatten. Okay, es hatte Spaß gemacht, aber waren all diese Umzüge und Kurztrips nach Mexiko eigentlich natürlich? (Wieder rhetorisch.) Während ihrer ganzen Kindheit und Jugend, erinnerte sie ihn, hatte ihre Familie – abgesehen von dem Ferienhaus in Maine – nur in zwei Häusern gewohnt: in Syracuse und, nach der Versetzung ihres Vaters, in Orange County. »Es ist an der Zeit«, schloss sie, »dass wir aufhören, so zu tun, als wären wir deine Eltern, und so tun, als wären wir meine.«
Wenn das auf eine bewachte Wohnanlage in Sacramento hinauslief, hatte Griffin seine Zweifel. Dennoch: Bevor Joy es ausgesprochen hatte, war es ihm gar nicht eingefallen, dass sie das taten. Er hatte immer gefunden, dass ihr Lebensstil eben gerade eine Ablehnung seiner Eltern zum Ausdruck brachte. Sie jedenfalls sahen es bestimmt so. Ihr Sohn lebte freiwillig an der Westküste? Er schrieb keine Bücher, sondern Drehbücher fürs Fernsehen? Er hatte sich für einen Beruf entschieden, in dem man nicht den ganzen Sommer Urlaub hatte? Er besaß ja nicht mal ein anständiges Tweedjackett. Aber gut, mal angenommen, ihr nomadischer Lebensstil war tatsächlich eine unbewusste Nachahmung dessen, was seine Eltern vorgelebt hatten – hieß das, dass sie nun anfangen mussten, bewusst Joys Eltern nachzueifern? Obendrein hatte er den Verdacht, dass die Behauptung seiner Frau, ihr sei »aus irgendeinem Grund« der Große Truro-Traum wieder eingefallen, nicht ganz glaubwürdig war. Ihre Familie liebte es, sich in Joys Leben einzumischen – er spürte ihre schattenhafte Gegenwart hinter all diesen Veränderungen. Waren es Joys Schwestern – die eine neuerdings übergewichtig, die andere neuerdings religiös –, die sie überzeugt hatten, es sei an der Zeit für einen BH und eine »erwachsenere« Frisur? Seit Jahren fragte Jill, mit der Joy alle paar Tage telefonierte: »Wollt ihr nicht langsam mal zur Ruhe kommen?« Oder wie ihr Vater, der zu Sportmetaphern neigte, es ausdrückte: »Was für eine zweite Halbzeit wollt ihr hinlegen, das würde ich gern wissen.«
Griffin nahm an, dass es eigentlich um Kinder ging. Joys Schwestern hatten sich gleich nach der Hochzeit (in Janes Fall nach seinen Berechnungen sogar schon ein paar Wochen davor) an die Familiengründung gemacht,
Weitere Kostenlose Bücher