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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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sich die gesamte Hochzeitsgesellschaft, zu der sich einige andere junge Hotelgäste gesellt hatten, an dem Spiel. Auch die kleinen Kinder wollten mitmachen und rannten mit erhobenen Armen auf dem Spielfeld umher, obwohl das eigentliche Geschehen weit über ihren Köpfen stattfand. Laura und Andy standen an der Grundlinie. Als sie innehielten, um sich zu küssen, und der Ball genau vor ihren Füßen landete, stöhnten ihre Mitspieler auf. Jared und Jason hatten sich auf verschiedenen Seiten des Netzes postiert und schubsten einander zurück, wenn einer die neutrale Zone verletzte. »Jetzt pass mal auf«, sagte Jason, und als der Ball über das Netz auf ihn zuflog, schmetterte er ihn und zielte dabei auf seinen Bruder, doch der Ball zischte in einem spitzen Winkel davon und verfehlte nur knapp Kelsey, die, mit einer Hand ihren Bauch stützend, aus einer irrtümlich für sicher gehaltenen Entfernung zusah.
    »Heh, Vorsicht da unten! Passt auf die Kleinen auf!«, rief June von der Veranda und wurde prompt ignoriert.
    Ich hoffe, du willst mir nicht weismachen, dass du diese Leute magst, sagte seine Mutter. Er hatte die Tür geschlossen und gehofft, sie würde draußen bleiben – aber nichts da. Du vergisst, wie gut ich dich kenne , fuhr sie fort. Verstell dich, wie du willst, aber mit diesen Leuten wolltest du schon immer nichts zu tun haben, und das hast du jetzt erreicht. Dieses sentimentale Grübeln passt nicht zu dir.
    Ich ignoriere dich, Mom , sagte er und richtete seine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Jungen, der dort unten einen Trotzanfall hatte. Er war wütend, weil man ihn nicht beachtete, und setzte sich mit finsterem Gesicht und vorgeschobener Unterlippe mitten auf das Spielfeld.
    Ein kleines Ungeheuer , sagte seine Mutter.
    Nein, Mom, ein Kind , widersprach Griffin, obgleich sie recht haben mochte.
    Andy, der offenbar fürchtete, jemand könnte den Jungen über den Haufen rennen, hob ihn hoch und setzte ihn auf seine Schultern, und als der Ball über das Netz kam, gelang es ihm, sich so zu positionieren, dass der Kleine ihn schlagen konnte. Zwar landete der Ball im Netz, doch das Gesicht des Jungen erglühte im Gefühl seiner Bedeutung, und er riss die Arme hoch, wie er es die Sportler im Fernsehen hatte tun sehen, und bekam Applaus.
    Du magst keine Kinder, du magst keinen Volleyball, und du kannst Trottel nicht ertragen.
    Vielleicht kennst du mich doch nicht so gut, wie du denkst, Mom.
    Gut. Sei, wie du willst.
    Lass uns über etwas anderes sprechen, ja?
    Wir können sprechen, worüber du willst. Über das Wetter, wenn dir das recht ist. Weißt du noch, wie es in den letzten zwei Wochen geschneit hat?
    Und ob. Riesige Pulverschneeverwehungen verdeckten zwei Drittel der Krankenhausfenster. Lauras Rückflug war einer der letzten, bevor der Flughafen geschlossen wurde; erst an Heiligabend wurde er wieder geöffnet. Zweimal musste Griffin die eineinhalb Kilometer vom Krankenhaus zu seinem Motel zu Fuß gehen, weil die Straßen unpassierbar waren und sein Wagen unter Schneemassen begraben lag.
    In den Tagen nach Lauras Überraschungsbesuch war seine Mutter zunehmend erregt. Das Morphium ließ sie langsamer atmen, doch es war deutlich, dass irgendetwas sie beunruhigte, etwas, vermutete Griffin, was mit ihrer Enkelin zu tun hatte, auch wenn er keine Ahnung hatte, was. »Sie ist so …«, setzte sie mehrmals an und ließ den Satz in der Luft hängen, als versuchte sie, etwas zu artikulieren, das gerade außerhalb ihres Fassungsvermögens war. Der Sauerstoff machte ihren Mund trocken, und Griffin gab ihr ein paar kleine Eisstücke zu lutschen, in der Hoffnung, das möge helfen, doch es half nicht. »Sie ist so …«
    »Sie ist so was, Mom?«
    Noch immer suchend nickte sie ein, ebenso wie Griffin. Er erwachte vom Klang ihrer Stimme.
    »Sie ist so … liebenswürdig , nicht?«
    Liebenswürdig? Das war das Wort, nach dem sie so angestrengt gesucht hatte? Es war, als wäre dieses Konzept überaus exotisch, als hätte sie zwar davon gelesen, wäre ihm bis jetzt aber noch nie persönlich begegnet. Entweder das oder sie hatte einen raschen Gen-Scan vorgenommen und nach einem entsprechenden Vorläufer in der Familie gesucht, aber keinen gefunden.
    »Ja«, sagte er und spürte, wie es ihm vor Stolz die Kehle zuschnürte, »ja, das ist sie.«
    »Sie macht, dass ich mich …« – wieder musste sie sich anstrengen, und Griffin nahm an, dass ein weiteres gänzlich fremdes Konzept sich blindlings in Richtung Artikulation

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