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Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taiye Selasi
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zu fahren, und über die Vorbereitungen, Auswahl des Sargs, Familie begrüßen, die ganze Logistik (sie ist ähnlich wie die Logistik im Krankenhaus, denkt Olu, diese Logistik bei einem Begräbnis: klinisch, verfahrenstechnisch, organisatorisch,
was soll mit dem Körper gemacht werden
, das ist die beherrschende Frage, eine Abfolge von Maßnahmen, ohne Emotionen – aber trotzdem seltsam für ihn, dass man hier Antworten suchen muss, dass man Maßnahmen ergreifen muss, wenn der Körper schon tot ist). Er hat eigentlich keine Angst, dass Benson es ihnen sagt, aber warum er selbst es ihnen nicht sagt, das weiß er nicht.
    Er hätte nicht warten sollen. Er hätte es ihnen einfach erzählen sollen, oder wenigstens ihr, seiner Mutter hätte er es damals erzählen sollen, im letzten College-Jahr, als er das Ticket nach Ghana bekommen hat, das gleiche Flugticket wie jedes Frühjahr. Ans College geschickt. Falsche Adresse: Sie hatten alle beim Postamt von New Haven ein Fach für den persönlichen Gebrauch, aber mehr als die Temple Street-Adresse des Timothy Dwight College konnte sein Vater von Accra aus nicht herausfinden.
    Das waren die letzten Tage, bevor sich E-Mails allgemein durchsetzten. Jedes Jahr an seinem Geburtstag, am 26 . Mai, kam ein versiegelter Umschlag für Fola (den er ungeöffnet zurückschickte) sowie ein Brief für ihn mit einem Flugticket nach Ghana. Dünnes Papier, ein ausgedrucktes Ticket in blassrosa Schrift, mit drei Durchschlägen, so wie das damals üblich war, immer auf den 26 . Mai datiert, jedes Jahr, vier Jahre lang, bis zum 26 . Mai 1997 , als er dann tatsächlich flog.
    Er hat sich selbst nie wirklich gefragt, warum oder warum gerade in dem Jahr. Warum er nicht zur Abschlussfeier gegangen ist, nicht teilnehmen wollte. Er hatte schon länger irgendwie befürchtet, Kweku könnte sie alle überraschen wollen und in New Haven auftauchen, ohne Vorankündigung und uneingeladen, an einem Tag, bei dem er wusste, dass sie alle zusammen waren, aber jetzt war offensichtlich, dass sein Vater gar nicht daran dachte. Oder dass er überhaupt nicht dachte. Er kannte ja das amerikanische Bildungssystem und wusste, dass alle vier Jahre ein Abschluss war und dass im Frühjahr 1997 zwei Entlassungsfeiern stattfinden würden (die der Zwillinge von der Highschool, seine vom College), und trotzdem schickte er wie jedes Jahr die Briefe und das Flugticket und flehte ihn an, doch zu seinem Geburtstag nach Ghana zu kommen und eine Woche zu bleiben, um Kweku anzuhören. Und er erwähnte mit keinem Wort den möglichen Konflikt der Termine.
    Es war reiner Zufall, dass die beiden Feiern auf denselben Tag fielen und auch noch auf seinen Geburtstag. Nun saß er da mit den Karten – Milton-Feier, Yale-Feier, Ghana Airways – und weinte zum ersten Mal seit Jahren. Sein Vater hatte vergessen, dass für drei seiner Kinder Abschlussfeiern anstanden. Das zeigte überdeutlich, dass er nicht mehr zu ihrem Leben gehörte, zu ihren Terminen, ihrem Rhythmus, ihrer Welt; dass er ausgeschieden war. Es war nicht so, dass Olu noch nie darüber nachgedacht hatte (im Gegenteil, einmal am Tag, seit der Volvo davongefahren war), aber am Anfang wurde die Verzweiflung durch den Schock gedämpft, dann kam die Verdrängung, die sich mit der Zeit in Hoffnung verwandelte.
    Erst jetzt dämmert es ihm – hier am Fenster, Folas tiefes Lachen jenseits des Fliegengitters wie ein Donnergrollen, bevor der Regen losbricht –, dass er vielleicht geflogen ist, weil er den endgültigen Verrat
suchte
? Damals fand er es ziemlich klar, weshalb er wegfuhr. Er erzählte eine Lügengeschichte von einer schlecht geplanten Reise mit der Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen«, zeigte Ling eine Broschüre, sagte zu Fola, sie solle doch zur Feier der Zwillinge gehen, das mache ihm gar nichts aus. So musste er sich nicht direkt mit dem Desinteresse seines Vaters auseinandersetzen. Seine größte Leistung, und Kweku dachte nicht daran. Er weinte in seinem Wohnheimzimmer, allein, eine halbe Stunde, dann tippte er einen Brief, in dem er ihm mitteilte, dass er kommen werde, wusch sich das Gesicht, klopfte sich auf die Wangen und zeigte seinem Spiegelbild die Zähne, ein stummer Schwur:
Schluss mit den Tränen, Mann
, flog in der darauffolgenden Woche. MetroNorth in die Innenstadt, die überfüllte U-Bahn zum Flughafen, ein kleiner Shuttle-Bus zum Terminal, von dem Ghana Airways abflog (inzwischen nicht mehr existent) – eine kuriose Nische in der hintersten

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