Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taiye Selasi
Vom Netzwerk:
Ausgang gerichtet, die Schultern locker, als wäre alles in bester Ordnung. Das einzige Zeichen seiner wachsenden Anspannung war das mechanische Auf- und Abwippen seines Fußes.
    Jemand boxte mit seinem Gepäckwagen gegen Olus Wade. »Entschuldigung«, sagte der Mann. Klang wie Luther Vandross. Olu drehte sich um und sah Benson (einen Fremden). »Ich habe nicht gemerkt, dass Sie stehen bleiben …«
    »Tut mir leid. Sie haben recht.« Olu trat einen Schritt beiseite, damit der Fremde sein Gepäck hinausschieben konnte, aber der tat es nicht, sondern lächelte und blieb ebenfalls stehen.
    »Waren Sie in dem Flieger von New York?«
    »Ja.«
    »Hab ich mir’s doch gedacht. Ich habe Sie nämlich gesehen. Du lieber Gott, das klingt jetzt sicher komisch, aber ich dachte – Sie sehen aus wie eine Frau, die ich früher gekannt habe. Die Frau eines Freundes.« Olu schüttelte den Kopf. Der Fremde wurde verlegen. »Na ja, dann – willkommen in Ghana.« Er schob nun einen Wagen weiter, verschwand in der Menge.
    Olu fühlte sich irgendwie ertappt – als der Feigling an der Tür, wenn nicht sogar als der Sohn von Fola Savage – und schaute wieder zu seinem Vater.
Was ist ein Mann, der seinem Vater nicht gegenübertreten kann?
, dachte er. Egal ob er ihn als Schande oder als Bedrohung oder als Witz sieht, ob als etwas Kleines, zu klein in seiner einsamen Eigenart, oder als etwas Großes, zu groß durch die Schatten, die er wirft: Die Grundangst spielte keine Rolle, es ging darum, sich ihm zu stellen. Aber er stand hier und versteckte sich, fürchtete sich davor, hinauszutreten. »Los jetzt«, murmelte er leise und rückte seinen Rucksack zurecht (mit dem er immer reiste und über den Taiwo sich lustig machte, ein weiterer Beweise dafür, dass in Olu ein »weißer Junge« steckte, der Wasser aus Nalgene-Flaschen trank und im Winter Teva-Schuhe trug). Er trat hinaus ins Freie, hielt sich an den Gurten vor seiner Brust fest, als würde er sich auf einen Fallschirmsprung vorbereiten. Rief: »Dad.«
     
    Sie fuhren vom Flughafen in die Stadt, ohne ein Wort zu wechseln, Kweku umklammerte das Lenkrad, Olu seinen Rucksack, die drei Jahre Schweigen ein kompakter Eisblock zwischen ihnen, unangefochten von Anwesenheit, Nähe, Haut. Olu schaute sehr konzentriert vom Beifahrerfenster raus und versuchte zu bestimmen, welche Farbe das, was er da sah, hatte. Die Straßen waren gesäumt von wilden Büschen und Palmen, aber irgendwie war der Gesamteindruck braun und nicht grün. Er musste an Delhi denken (ohne die Auto-Rickshaws), die kleinen hupenden Taxis, gute Stimmung, staubiger Dunst, gut geplante Straßen, allerdings ohne richtige Ordnung, handgemalte Ladenschilder – aber irgendetwas war neu für ihn.
Die Farbe
, dachte er, es ging wieder um die Farbe, das neue Gefühl, in der Mehrheit zu sein, mit sich selbst bekannt, und wenn er zufällig sein Spiegelbild im Fenster eines vorbeifahrenden Autos sah, dachte er manchmal einen Moment lang, dass er den Fahrer anschaute.
    Als sie an der Kreuzung Liberia Road und Independence Avenue anhalten mussten, räusperte sich Kweku. »D-das ist unser N-nationaltheater«, begann er stockend. Er zeigte durch sein Fenster auf ein modernes weißes Gebäude. »Wir haben ein staatliches Symphonie-Orchester und das Staatsschauspiel. Gebaut worden ist das vor fünf Jahren. Ein Geschenk von den Chinesen.«
    »Interessant«, sagte Olu höflich. »Vor fünf Jahren.« Als sein Vater noch zu seiner Welt gehörte.
    Kweku rieb sich die Stirn, bemerkte seinen Irrtum, verstummte. Die Ampel wurde grün, und er versuchte eine neue Strategie. »Sie verändert sich dauernd, diese Stadt, nicht schnell, aber ohne Pause. Ich glaube, dir würde es hier gefallen.«
    »Sieht ganz schön aus«, sagte Olu.
    »Du erinnerst dich ja bestimmt nicht an deine erste Ghana-Reise.«
    »Nein, gar nicht.«
    »Wie auch. Aber hier ist vieles anders. Und die Veränderung ist frappierend.«
    Olu nickte und schwieg. Er wusste nicht, ob Kweku von dem Land redete oder von sich selbst.
     
    Sie bogen in eine Seitenstraße der Independence Avenue und fädelten sich langsam durch ein Labyrinth aus kleinen Straßen bis zu einer Gruppe großer Häuser, die ein Stück von der Straße zurücklagen, die angeschlagenen weißen Stuckmauern von vertrockneten Blüten überwachsen. Streunende Hunde trieben sich herum und beschnüffelten ohne übertriebenen Eifer die kleinen Müllhaufen. Obstschalen, schwarze Plastiksäcke. Eine Frau am Ende der Straße,

Weitere Kostenlose Bücher