Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Stein. Einen weißen Kiesel. Als er aufblickte, sah er, dass Mr Lamptey, etwas überheblich, zu der halbfertigen Glasveranda ging. Kweku fand, sie sollten die großen Fenster einsparen (die Kosten der Klimaanlage reduzieren, wozu überhaupt – ohne Pool). Er holte den Entwurf hervor und schaute ihn an, verzagt.
Strichfiguren auf Serviette.
Eine: winkend, tropfnass.
Und die andere: Sitzt jeden Montag in dieser kleinen Glasveranda, überfliegt den
Graphic
, bis etwas ihn ablenkt und er aufblickt, immer schockiert, ein Menschenwesen in seinem Garten stehen zu sehen, weil er immer vergisst, dass Montag ist, Mulchen-Montag, und schon verschüttet er den Kaffee. Dann ihr Tanz: Der Mann schaut zu ihm und erwartet eine Bestätigung, während er an seinen Hosenbeinen zupft, die trotzige Verzögerung, bis er aufgibt und hochschaut, seufzt, sich ein Lächeln abringt. Ein kleines Winken mit der Serviette, Begrüßung und Eingeständnis der Niederlage.
Da steht, in seinen Swami-Kleidern und mit Gartenhandschuhen, steht Mr Lamptey.
Lächelt, stutzt die Hecken, erwidert das Winken.
Sieben
Aber als er jetzt auf den Mangobaum blickt, der trächtig, blühend mitten im Garten steht, das buschige Haupt hoch erhoben, da kann er sich nicht vorstellen, dass er weg sein könnte, nie im Leben – obwohl er vor Jahren vermutlich das Gleiche über sich selbst gesagt hätte. Doch dann, als er Sadie in der schützenden Rundung seiner Fingerspitzen hielt und als ihr ganzes Wesen bebte, vor lauter Anstrengung, einfach nur zu
sein
, da hatte er sich als unersetzbar empfunden, als festen Bestandteil der Landschaft. Wesentlich für das Bild. Das Zentrum, irgendwie. Er hätte sich nicht vorstellen können, im Leben nicht, von dem Leben, für dessen Rettung er kämpfte, abgeschnitten zu sein. Die Landschaft ohne ihn. Ein anderer Ausblick. Er, an den Wurzeln herausgezogen und ersetzt durch ein Loch.
Trotzdem denkt er jetzt daran, und es erschreckt ihn, so wie vorher, als Taiwo sich stumm auflöste, draußen vor der Tür des Haupttrakts. Es ist ein Stich, eindeutig schmerzlicher, so dass er zusammenzuckt, sich krümmt, mit der einen Hand den Plastiktürrahmen umklammert, um sich irgendwie abzustützen. Er schüttelt den Kopf, um den Gedanken loszuwerden, doch der schaukelt zwar vor und zurück, purzelt aber nicht herunter, fällt nicht. Also sucht er einen anderen Gedanken, um ihn zu vertreiben. Einen langweiligeren, der schwerer wiegt als seine Abwesenheit. Er denkt:
Was zum Teufel hast du eigentlich hier draußen verloren, warum starrst auf einen Garten
?
Es klappt. Der Bann ist gebrochen. Das Stechen lässt nach. Er richtet sich wieder auf. Kurzatmig. »Nimm dich zusammen«, murmelt er laut, halb hustend, halb lachend, damit sein Kameramann weiß, dass er das alles ebenfalls absurd findet; dass er nicht übergeschnappt ist, sondern nur in Gedanken verloren, die Menschen verlieren sich schließlich immer wieder in ihren Gedanken. Ein bisschen Sauerstoff genügt, ein kleiner Spaziergang zwischen den Blumen. Frieden schließen mit dem Mango, an den Rosen riechen, solche Sachen. Er schiebt die Tür vollends auf.
Er überquert die Schwelle, geht in den Garten und japst nach Luft.
Tautropfen auf dem Gras.
An seinen Fußsohlen –
plötzlich, nass, unerwartet, so schockierend, dass sie weh tun. Erst jetzt merkt er, dass er keine Pantoffeln anhat, spürt die Kühle stechend unter seinen bloßen Füßen. Wie lang ist es her, dass er barfuß nach draußen gegangen ist, dass er barfuß
irgendwohin
gegangen ist, dass er Nässe unter den Füßen gespürt hat? Kann sich nicht erinnern. (Vor Jahrzehnten, in der Dunkelheit vor Tagesanbruch, am Ozean, über ihm der Mond. Lange her.) Er macht einen kleinen Sprung rückwärts, als würde er von heißen Kohlen herunter hüpfen, jetzt ganz wach. Denkt: Wo sind die Pantoffeln?
Acht
Noch viele Jahre wird Taiwo , wenn sie an ihren Vater denkt, ihn so vor sich sehen, im Garten, die Füße im Gras und Tau an seinen Füßen, und sie wird sich fragen:
Wo waren seine Pantoffeln?
Es ist die unwichtigste all der Fragen, die nicht gestellt und nicht beantwortet wurden, der unwichtigste Störfaktor in diesem Bild – der Mann niedergestreckt, vergiftet von einer Analphabetin (Olus heimliche Überzeugung), oder einfach nur tot, in der Tradition von Menschen, die einfach nur sterben (Mom), oder bestraft von Gott für seine verschiedenen Sünden (Sadie), oder erschöpft von diesen Sünden (Kehinde) –,
Weitere Kostenlose Bücher