Diese eine Nacht mit dir
sie. „Erst am nächsten Morgen, als ich dich in den Nachrichten sah …“
Gypsy hatte seinen Zettel gelesen und erkannt, dass er sie verlassen hatte. In der Zimmerecke lief der Fernseher. Ohne Ton. Offensichtlich hatte Rico ferngesehen, bevor er ging. Zu ihrem größten Erstaunen sah sie dann ihn auf dem Bildschirm, glatt rasiert und im teuren Maßanzug. Umgeben von Reportern und einer imposanten Gefolgschaft war er die Treppen irgendeines Gebäudes hinuntergegangen. Gypsy hatte den Ton angestellt und mit wachsendem Entsetzen entdeckt, wer Rico in Wirklichkeit war.
„Trotzdem hast du nie den Kontakt zu mir gesucht … Du bist einfach gegangen.“ Frauen, die aus einer Nacht mit ihm keinen Nutzen ziehen, sind wahrscheinlich dünn gesät, dachte Gypsy.
„Ja, ich bin gegangen“, nickte sie heftig. „Als ich den Zettel fand, fühlte ich mich wie eine Nutte. Überhaupt, ich hab jetzt wirklich keine Lust mehr, noch länger zu diskutieren. Geh jetzt. Bitte.“
Ausgerechnet in dem Moment ertönte aus dem Buggy ein lauter Schrei, der in ein nur allzu vertrautes Jammern überging. Lola war wach und verlangte Aufmerksamkeit.
3. KAPITEL
Dass ich sie so einfach verlassen habe, scheint sie wirklich getroffen zu haben, dachte Rico. Er konnte sehen, wie sie hin- und hergerissen war zwischen dem Wunsch, sich um ihr Kind zu kümmern, und dem Bestreben, ihn loszuwerden. „Es ist jetzt wirklich kein guter Moment“, platzte sie heraus, während das Geschrei immer lauter wurde. „Bitte, lass uns allein.“
Bitte, lass uns allein.
Etwas an der Art, wie sie „ uns“ sagte, und der gehetzte Ausdruck in ihrem Gesicht ließen Rico bleiben. Es musste noch einen anderen, wichtigeren Grund geben, warum sie ihn loswerden wollte. Zweifellos fühlte sie sich bedroht.
Zu seinem eigenen Erstaunen weckte das durchdringende Babygeschrei nicht das Bedürfnis bei ihm, so schnell wie möglich zu verschwinden. Alles, was Gypsy sagte und tat, faszinierte ihn. Er wollte herausfinden, was mit ihr los war. Davon konnte ihn auch Lolas Gebrüll nicht abschrecken.
Eigentlich konnte er mit Kindern nicht viel anfangen. Seine Erfahrung mit ihnen beschränkte sich auf seine vierjährige Nichte und seinen Neffen, der noch ein Baby war. Die beiden amüsierten ihn. Trotzdem verstand er nicht, warum sein jüngerer Bruder so vernarrt in seine Kinder war. Er selbst jedenfalls hatte nicht die Absicht, bald Vater zu werden. Nicht nach der Kindheit, die er und sein Bruder erdulden mussten …
„Solltest du nicht nach deinem Kind sehen?“, fuhr er Gypsy etwas grob an. Sie ging zu dem Buggy und zog die Decke fort. Sofort hörte die Kleine auf zu weinen. Sie schniefte noch ein wenig, während Gypsy zärtlich gurrend mit ihr redete und sie aus dem Wagen hob.
In diesem Augenblick erinnerte Rico sich wieder an ihre Worte. Bitte, lass uns allein. Er hielt die Luft an. So, als ahnte er, dass gleich etwas Ungeheuerliches geschehen würde. Etwas, das sein Leben veränderte …
Gypsy hob den kleinen warmen Körper ihrer schlaftrunkenen Tochter aus dem Wagen und musste trotz ihrer Sorgen lächeln. Lola war ein glückliches kleines Mädchen, dem man nicht widerstehen konnte. Sie quengelte nur selten und war immer gut gelaunt. Gypsy hätte Lola nie wieder hergegeben. Sie war ihr Ein und Alles.
Während sie dem Kind das Jäckchen auszog, hoffte Gypsy, dass Rico jetzt endlich gehen würde. Wenn man sich um ein Kleinkind kümmern musste, konnte man sich ja wohl kaum gleichzeitig über eine gemeinsame Liebesnacht unterhalten, oder? Er musste doch einsehen, dass sie nicht mehr zu haben war. Wie um ihr das Gegenteil zu beweisen, fühlte sie ein heftiges Verlangen nach ihm in sich aufsteigen.
Lola war jetzt ganz wach. Als sie Rico entdeckte, steckte sie den Daumen in den Mund und kuschelte sich scheu an ihre Mutter.
Widerstrebend blickte Gypsy zu Rico. Sie wusste, was er da vor sich sah: ein zartgliedriges Baby mit langen dunklen Wimpern, heller Haut und einem Wust von schulterlangen, goldblonden Korkenzieherlocken, die jedem Versuch, sie zu zähmen, widerstanden. Lola war einfach zum Verlieben.
Die Kleine nahm den Daumen aus dem Mund, deutete auf Rico und brabbelte los. Wie alle Babys war sie davon überzeugt, dass jeder sie verstand.
Ungeduldig begann sie zu zappeln. Also ließ Gypsy sie runter und sah zu, wie sie zu Rico tappte. Lola sah vertrauensvoll zu ihm auf. Zweifellos erwartete sie, liebevoll begrüßt zu werden. Mit einer bösen Vorahnung beobachtete
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