Diese eine Woche im November (German Edition)
ungünstig. «
» Ich mache mir Sorgen. « Er setzt sich neben sie. » Francos Verrat, der Juwelenraub, der tote Polizist – wir sind schon viel zu auffällig geworden. «
» Vergiss das alles. « Sie legt die Hand auf Marcantonios Knie. » Es zählt nur eins: der Familienschmuck. Ist denn bis jetzt nicht alles gut gegangen? Der Raub der Tränen der Maddalena war ein Meisterstück. «
Er trinkt sein Glas leer. » Die deutsche Polizei wird ihren Mann vermissen. «
» Vergiss den Deutschen. Bring ihn um oder behalte ihn als Geisel. « Sie lächelt mütterlich. » Nur das Wappen zählt. Erst wenn alle Teile wieder beisammen sind, besitzen wir das große Siegel. «
Mit leisem Knacken sinkt das Feuer in sich zusammen.
» Zeit, ins Bett zu gehen. « Eleonora streicht über sein schütteres Haar, das er in die Stirn frisiert hat. » Wir wollen diese Nacht genießen. «
Marcantonio folgt ihr durch den Saal. Die marmorne Tür öffnet und schließt sich hinter ihnen. Wäre die Glut nicht im Kamin, man würde meinen, der Saal sei seit Ewigkeiten unbewohnt.
15
T onio zeigt auf den Engländer. Der Tourist hält seine Schultertasche gut fest, doch der Reißverschluss steht offen. Pippa fasst das Arbeitsfeld ins Auge. Rechts ein Obststand, mit dem lässt sich Verwirrung stiften. Links die Mauer eines Magistratsgebäudes. Hier gibt es keinen Fluchtweg. Um abzuhauen, müssen sie die Calle bis ans Ende laufen und auf die andere Seite des Kanals wechseln. Pippa nickt. Der alte Mann soll ihr erstes Opfer an diesem Morgen sein.
Es ist schwer, nichts zu sagen, wenn es viel zu sagen gäbe. Pippa möchte über die Welt reden, die in ihr in Aufruhr ist. Bis gestern schien ihr vieles sicher, der Sonnenaufgang und der Abend, dass ihr Haar dunkelbraun und ihr Hals zierlich ist und dass sie Tonio liebt. Weil sie zusammen Diebe waren, zusammen rannten und ihre Beute teilten, hatte sie sich eingebildet, sie wären auf besondere Weise ein Liebespaar. Wie gründlich sie sich getäuscht hat, weiß sie seit gestern. Nichts ist sicher, außer dass sie den Engländer um sein Geld erleichtern werden. Pippa schweigt. Geschlafen hat sie wenig, gegrübelt hat sie viel.
Was ist mit Pippa los? Tonio vermisst ihr morgendliches Geplapper. Sonst ist er der Schweigsame auf dem Weg zur Arbeit. Normalerweise erzählt sie, wie ihr Abend war, was der Onkel gesagt hat, wie viel Geld sie schon gespart hat. Sie spart auf ein Mofa, auf das neueste Smartphone, jede Woche spart Pippa auf etwas anderes. Vorhin begrüßte sie Tonio mit gesenkten Augen.
» Ist was mit dir? «
» Schlecht geschlafen. « Sie wuschelt ihr Haar.
» Ich auch. «
Wieder der Traum. Das dumme, verstörende Nachtgespinst, in dem sein Vater eine Rolle spielt. Diesmal fuhr Tonio mit dem Vater einen Kanal entlang. Hoch über ihnen ging eine Balkontür auf, Julias Balkon. Tonio wollte rufen, der Vater glitt weiter, hinein in die Dunkelheit.
Werde ich Julia heute wiedersehen, überlegt Tonio und schmunzelt über den heißen Tropfen, der bei diesem Gedanken in seinen Bauch fällt. Wie schön sie ist, wie gut es tat, neben ihr zu sitzen, unabsichtlich ihre Schulter zu berühren und die Wärme ihres Armes zu spüren. Reiß dich zusammen, denkt er. Dort verschwindet Pippa um die Ecke, gleich wird sie von der anderen Seite wieder auftauchen. Benimm dich wie ein Profi. Bei beruflichen Angelegenheiten stört die Liebe nur. Tonio mustert das Pflaster, abgeschnittene Kohlrabiblätter liegen da. Die will er sich zunutze machen. Langsam trabt er los, nimmt Anlauf und schmeißt sich hin. Auf den Gemüseresten schlittert er weiter, genau zwischen die Beine des Ausländers.
» Au! « , schreit Tonio. » Passen Sie doch auf! «
Der Alte reagiert nicht wie die meisten Fremden, die fürchten, etwas falsch gemacht zu haben. Der Engländer weicht nicht aus, er taumelt nicht einmal.
» Du Bastard « , sagt er in gebrochenem Italienisch.
Ist der Mann etwa kein Ausländer? Die rote Gesichtsfarbe, die karierte Hose, das kann unmöglich ein Venezianer sein.
» Sie sind mir vor die Füße gelaufen « , antwortet Tonio nicht mehr ganz so frech.
» Das kannst du deiner Schwester erzählen. « Der Alte zieht seine Tasche vor die Brust. » Wo steckt sie übrigens? «
Hat der Engländer den Trick durchschaut? Ist er nicht zum ersten Mal unser Opfer? Bei den vielen Fremden, die wir schon beklaut haben, kann man sich unmöglich jedes Gesicht merken.
» ’t schuldigung. Ich hab das nicht gewollt. « Er rappelt
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