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Durchsetzungsvermögen, wenn jemand »Chip – das Computermagazin« als das letzte Buch angibt, das er gelesen hat?
Das vorherrschende Gefühl beim Durchsehen der Profile: ihh, weg, oh Gott. Dieser Impuls wird einmal sehr treffend in »Sex and the City« beschrieben, jener Serie, die ja – abgesehen vom ganzen New-York-Mode-Quatsch – nichts anderes als »Telekolleg: Partnersuche« ist. In der besagten Folge erzählt die Hauptfigur Carrie ihren Freundinnen von ihrem neuen Freund, einem russischen Künstler, der für sie Klavier spielt und ihr Gedichte vorliest. »Ick« sagen ihre postmodernen Freundinnen daraufhin und verziehen das Gesicht. Ick ist ein sich Schütteln, die intuitive Aversion gegen etwas, das man als »too much« empfindet. Geringer dosiert okay, aber ohne ironische Brechung nach dem Jahr 1980 nicht mehr tragbar.
Die Männer, mit denen ich in Kontakt bin, schreiben: »Hallöchen, schöne Unbekannte.« Oder: »Kann die sexy Lady auch genießen?« Oder: »Romantik heißt für mich, meiner Partnerin bei einem Picknick die Füße zu massieren und sie mit Erdbeeren zu füttern.« Ick, ick, ick! Klar, die Männer versuchen zu antizipieren, was gut ankommt. »Schöne Unbekannte« steht für Höflichkeit und Komplimente-machen-Können. »Fußmassage« signalisiert Fürsorge und ultimative Hingabe. Nur wo jemand gehört hat, dass »sexy Lady« gut bei Frauen zieht, ist mir ein Rätsel.
Ich gebe zu, dass wir modernen Frauen es Männern nicht leicht machen. Natürlich finde ich es gut, wenn ein Mann Gefühle zeigen kann, aber es darf auch nicht zu viel sein. Er sollte lässig sein und ein wenig unnahbar, sein Interesse muss etwas Beiläufiges haben, nichts unterwürfig Schleimiges.
Das Hauptproblem: das Textliche. Ich reagiere sehr allergisch auf abgegriffene Formulierungen (»Pferde stehlen«, »Seele baumeln«), und, auch wenn das pingelig klingt, auch auf Kommafehler, dass-das-Verwechslungen und den übermäßigen Gebrauch von Satzzeichengesichtern. Ich kann das leider nicht abstellen. Mit Sprache intelligent umzugehen, ist mein Beruf. Meine Leidenschaft. Ein Gourmetkoch hätte doch auch ein Problem mit einer Frau, die am liebsten Ravioli aus der Dose isst, oder?
Nicht nur sprachliche Schablonen sind mir zuwider, auch romantische Klischees: Vier-Euro-Samtrosen vom Bahnhofskiosk deuten nicht auf »eine gefühlvolle Ader« hin, sondern auf Einfallslosigkeit. Überhaupt ist hingeschriebene Romantik etwas anderes als echte, möchte ich meinen Interessenten sagen. Neben dicken alten Frauen im Café Torte essen. Rücken an Rücken sitzen und lesen. Sich mittags betrinken und Sex haben. Zu zweit »Wetten, dass …?« schauen und sich vorstellen, man hätte – jetzt im Moment – Kinder. Das ist romantisch. Zumindest für mich.
Die Mitglieder, die mich anschreiben, nehmen meist gar nicht Bezug auf mein Profil. Ich habe den Eindruck, die Nachricht, die sie mir schicken, geht an 2000 Frauen gleichzeitig. Reichweitenmaximierung dank Stückzahlstreuung. Sie hoffen, 1000 davon schalten nun ihre Profilbilder frei, und erst dann treffen sie die eigentliche Auswahl. Natürlich ist es lächerlich zu glauben, man wäre in dem Supermarkt mit dem gigantischen Angebot ein Premiumprodukt, das aus der Masse heraussticht. Mich kränkt die Massenmailversendung trotzdem.
Sehr verstörend sind auch die Mitglieder, die mich ungefragt mit intimen Informationen überhäufen. Nach rund zwei Monaten meiner Mitgliedschaft bekomme ich eine Anfrage von einem Mittdreißiger, der bei Familienstand »verwitwet« angegeben hat. Warum tut er das? Warum entscheidet er sich nicht für »Single« und rückt mit der großen Katastrophe heraus, wenn man sich ein bisschen besser kennt? Was will jemand damit bezwecken: »Bitte pass besonders auf, ich habe schon mal die Liebe meines Lebens verloren?« Auch seine Anfrage lasse ich unbeantwortet. Ich fühle mich in der Welt des Online-Datings mit seinen unverständlichen sprachlichen Codes noch reichlich unwohl.
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Liebe geht durch’s Vorhirn – Wie wir die Partnersuche psychologisch überfrachtet haben
Kann man in einem verschwitzten T-Shirt die große Liebe finden? Drei Studenten der Technischen Universität München sind der festen Überzeugung, dass sich im Körpergeruch der Schlüssel zur Partnerwahl verbirgt. Genauer: im genetischen Code, der ihm zugrunde liegt.
Andreas Reichert, Student der molekularen Biotechnologie, hat mit zwei Kommilitonen Gmatch gegründet, die bislang einzige
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