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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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entwickelt habe, dauert es nicht lange, bis ich mich durch die Münchner Finya-Mitglieder klicke. Ich bin sofort begeistert. Bei Finya kann man zum Beispiel seine Lieblingskneipe angeben. Eine sehr aussagekräftige Rubrik: Steht jemand auf das gemütliche Oma-Café oder die Kaffeebar mit Kunstleder-Hockern und Baumarkt-Laminat? Ist ein Mann Stammgast im Happy-Hour-Cocktail-Mexikaner oder in der netten Kneipe mit dem Senta-Berger-Poster aus den 70ern? Die Kneipenrubrik ist meine neue Lieblingsrubrik (bei den kostenpflichtigen Partnerbörsen habe ich mir immer als Erstes angesehen, welche Zeitschriften und Bücher die Leute lesen).
    Bei Finya gibt es außerdem den Zufallsgenerator, bei dem einem wie in einer Fotostrecke nacheinander Singles angezeigt werden. Wie gut, dass bei dieser Seite erst gar nicht so getan wird, als müsse man den Zufall ausschalten. Klick, nein, weiter, klick, nein, weiter, klick. Bei jul34 bleibe ich hängen.
    Was für ein tolles Profilbild! Es war mit der Webcam aufgenommen, »jul34« schaute nicht in die Kamera, sondern fixierte den Bildschirm, so als habe er gerade etwas sehr Faszinierendes gesehen. Er trägt ein weißes T-Shirt, hat helle Augen und ein wenig Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Ewan McGregor. Alter: 34. Beruf: Universität (Inland). Ein Forscher also. In meinem Kopfkino beginnt ein Film mit den Hauptdarstellern Grundlagenforschung, Aids-Medikament, Nobelpreis.
    Bei Reiseländern haben wir beide den Südseestaat Tonga angegeben, dort war ich mal für eine Reisereportage. Das nenne ich Matching. Wer hat schon einen Stempel von Tonga im Pass? So ungefähr schreibe ich jul34 das, eine E-Mail-Korrespondenz entsteht. Julian, so heißt er, macht keine Rechtschreibfehler und verwendet keine Phrasen. Er schreibt, dass er Biologie studiert hat und nun in einer Politikberatung arbeitet, die unter anderem das Umweltministerium berät.
    Ich spüre die Anzeichen virtueller Verliebtheit. Julian ist mir irgendwie nahe, ohne dass wir uns je gesehen haben. Mehrmals täglich logge ich mich auf der Seite ein, um nachzusehen, ob er geschrieben hat. Einmal sogar beim Ausgehen. Ich stehe mit Freunden in einer Bar, der Abend kommt nicht recht in Schwung, da tippe ich Finya in die Adresszeile meines iPhone-Browsers. Wie absurd: Mitten auf dem echten Marktplatz sehne ich mich nach dem virtuellen. Oder einfach nach dem Mann, der aussieht wie Ewan McGregor.
    Wenn man virtuell verliebt ist, überinterpretiert man jede Kleinigkeit. Jedes »liebe Grüße« statt »viele Grüße«. Man glaubt, es sei eine Absage, wenn der andere online war (erkennbar am grünen Punkt hinter dem Namen) und nicht geantwortet hat. Mit wie vielen Frauen außer mir steht Julian in Kontakt?
    Es sind die Tage zwischen den Jahren. Ich nehme all meinen Mut zusammen und frage ihn, ob wir uns im neuen Jahr mal auf einen Kaffee treffen. Er schreibt »sehr gerne«, und ich überlege tagelang, was ich zu unserer Verabredung anziehen werde. Es gehen noch ein paar Mails hin und her, aber Julian zeigt keine Initiative, wirklich etwas auszumachen. Und ich bin zu stolz, nun auch noch Ort und Zeit festzuklopfen. Nach zwei Wochen schreibt er: »Entschuldige, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe, ich bin gerade etwas neben der Spur. Wird aber wieder.« Ich bin mir sicher, dass Julian in Wahrheit eine Freundin hat – oder inzwischen eine andere kennengelernt hat.
    Es ist Januar, zwei sibirische Wochen halten die Stadt im Griff. Die Tage folgen einem freudlosen Rhythmus aus Arbeit und Feierabend. Es ist zu kalt, um abends auszugehen. Ich sitze viel am Rechner. Julian meldet sich nicht mehr. Die Frequenz, mit der ich meine Finya-Nachrichten checke, wird niedriger.
    Tag 185 – Erwartungen und Enttäuschungen: Der Wind in der Liebe wird rauer
    Natürlich wiegt die einzelne Abfuhr nicht viel, weil man ja selbst in den meisten Fällen kaum etwas investiert hat. Aber irgendwie zielt doch jede Ablehnung, egal wie groß sie ist, ins Herz, und dort bin ich nicht der selbstsichere Mensch, für den mich viele halten: Bin ich vielleicht doch zu dick? Ist mein Gesicht nicht hübsch genug? Waren meine E-Mails zu wenig einfallsreich?
    Immer wieder kommt es vor, dass ich in den Bezahlportalen meine Profilbilder für einen Interessenten freischalte und daraufhin eine automatisierte Absagemail erhalte: »Liebes Mitglied, vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich habe mir Ihr Profil aufmerksam angesehen. Mein Eindruck ist jedoch, dass wir nicht gut zueinanderpassen,

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