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Goldgrube zu werden, bekam Schmale einen Anruf vom Holtzbrinck-Verlag. Er wurde gefragt, ob sich solche Tests nicht übertragen ließen: Wenn man für die Frage »Welcher Beruf passt zu mir?« einen Test entwickeln könne, müsste das doch auch für die Frage »Welcher Partner passt zu mir?« gehen – und zwar für eine Online-Partnervermittlung. Schmale sagte zu und wurde wenig später einer der Gründer von Parship.
Seit nunmehr zehn Jahren ist er das wissenschaftliche Gesicht der Seite. Wobei sich der Emeritus der Hamburger Universität durchaus im Klaren darüber ist, dass »die Wissenschaft« für ein Unternehmen wie Parship ein Marketinginstrument ist. »Man muss da höllisch aufpassen.«
Der Persönlichkeitstest, den Schmale entwickelt hat, verbindet Ansätze der Verhaltenstheorie, der Psychoanalyse und gestalttheoretische Ansätze. Er enthält 74 Fragen und mehr als vierhundert Antwortmöglichkeiten. Ermittelt werden dabei Ausprägungen von 32 »partnerschaftsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen, Werthaltungen und Verhaltensweisen«, darunter der Wunsch nach Nähe und Distanz, Pragmatismus und Häuslichkeit. Diese Ausprägungen werden wiederum in Relation zu den Normalverteilungen in der Bevölkerung gesetzt, die, so Schmale, von Parship auch laufend überprüft werden, weil sie sich permanent veränderten.
Wie nun genau gematcht wird, ist natürlich auch bei Parship Firmengeheimnis. Ein paar Dinge sind bekannt: Persönlichkeitsmerkmale werden mit 75 Prozent, Interessen und Gewohnheiten mit je 12,5 Prozent gewichtet. Das Matching folgt nicht ausschließlich dem Prinzip der Ähnlichkeit. Bei bestimmten Merkmalen, etwa Durchsetzungswillen bzw. -vermögen, werden Paare nach Verschiedenheit gebildet. Es gibt auch nicht den einen Algorithmus, sondern 136 – so viele gleichzeitig ablaufende Rechenregeln enthalte das Verfahren, wie es eine Parship-Mitarbeiterin einmal in einer Radiosendung erklärt hat: »Jeder [Algorithmus] kann für sich mehr oder weniger komplex sein. Ich versuche mal, eine Regel in eigenen Worten auszudrücken. Wenn bei Person A Merkmal Z ausgeprägt ist und bei Person B Merkmal X, dann wird Matchingzahl Z vergeben. Und die ist nur relevant, wenn Merkmal F bei beiden folgendermaßen ausgeprägt ist.«
Mehr als zehn Millionen Menschen haben den Persönlichkeitstest in den vergangenen elf Jahren durchlaufen – zweifelsohne eine gigantische Stichprobe, auf die Hugo Schmale Zugriff hat. Egal, was man vom Matching selbst halten mag, Schmale stehen mehr Daten von Singles zur Verfügung als jedem Soziologie-Institut in Deutschland.
Was er über die Liebe gelernt hat, frage ich ihn. Unterliegt sie dem Zeitgeist? »Ja, es ist auffällig, wie das Bedürfnis nach Nähe gestiegen ist. Beziehungen werden heute stärker noch als vor elf Jahren als Bastion wahrgenommen, als Rückzugsgebiet in Zeiten äußerer und sozialer Unsicherheit.« Es gebe noch einen anderen Trend, den man aus den Tests lesen könne: Frauen und Männer hätten sich im Mischungsverhältnis ihrer Persönlichkeiten angeglichen. Vereinfacht gesagt: Frauen sind männlicher, Männer weiblicher geworden. Die Verwischung traditioneller Rollenbilder habe eine Konsequenz: »Beziehungen werden stärker auf Augenhöhe geführt.«
Es gibt ein Wort, auf das Hugo Schmale überraschend allergisch reagiert: Liebe. »Was ist damit jeweils gemeint, wenn wir von Liebe sprechen – Geborgenheit, Verstandenwerden, ökonomische Sicherheit? Da gibt es eine unendliche Anzahl von Spielarten. Liebe ist nur eine Hülle um eine bestimmte Punktmenge, die in jeder Beziehung anders aussehen kann«, sagt er. Es gehe auf ihn zurück, dass auf der Parship-Seite immer nur von Partnerschaft und Beziehung die Rede ist. »Ich würde mich nie erdreisten, Liebe zu versprechen. Was wir tun können, ist, angesichts von Ungewissheit die Möglichkeit zu erhöhen, dass sich zwei Menschen treffen und zusammenpassen.« Das klingt deutlich vorsichtiger als das, was eHarmony und Gian Gonzaga ihren Kunden versprechen.
Man könnte ja meinen: Wenn ein Unternehmen eine Formel entwickelt hat und anhand von 136 Rechenregeln Menschen miteinander paart, müsste Amors Albtraum endlich Wirklichkeit werden. Doch es gibt einen Haken. Das Theoriegebäude sämtlicher Partnerbörsen (nicht nur das von Parship) steht auf dem wackligen Boden eines Persönlichkeitstests, der wiederum auf einer reinen Selbstauskunft beruht. Teilnehmer antworten widersprüchlich und vor allem sozial erwünscht,
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