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Patrick und Camille wurden ein Paar. Und das war die noch größere Unwahrscheinlichkeit, als sich überhaupt wiederzufinden: Bei ihrer ersten Verabredung mochten sie sich, sie hatten einander was zu sagen, es funkte tatsächlich.
Vom Zauber eines Moments – Die schicksalhafte Begegnung als Gründungsmoment der Liebe
»You’re the one«, »Thank God I found you«, »One in a million« – es gibt Hunderte Popsongs, die von der Sehnsucht handeln, den Sieg über die Unwahrscheinlichkeit zu erzielen, den Hauptpreis in der Lotterie der Liebe. Chancen: eins zu elf Millionen. So wie jeder dritte Amerikaner war wahrscheinlich auch Patrick Moberg bei irgendeiner Dating-Seite registriert, und trotzdem glaubte er an das Schicksal. Denn wer es schafft, im Großstadtgewirr einer Millionenmetropole das Mädchen seiner Träume zu finden, der muss der glücklichste Mensch der Welt werden – oder etwa nicht?
Die Vorstellung, die Liebe müsse gegen Unwahrscheinlichkeiten und Widrigkeiten erkämpft werden, geht auf die Romantiker des 19. Jahrhunderts zurück. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein wurden Ehen arrangiert, sie waren Verbindungen, die dem Erhalt oder der Verbesserung des sozialen Status dienten. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Zum Sieg der Gefühle über die Vernunft kam es aus verschiedenen Gründen: Zunächst hat sich mit der Französischen Revolution nach und nach die Stellung der Frau gewandelt. In der traditionellen Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts begannen sie, ihre Handlungsspielräume auszuweiten, indem sie sich künstlerisch betätigten. (Das galt natürlich nur für die Bessergestellten unter ihnen.) In den Salons dieser Zeit wurde den Frauen zunehmend Gehör geschenkt. 13
Die zweite wichtige Veränderung war die Enttabuisierung von Gefühlen und Seelenvorgängen. In der romantischen Literatur erfuhr die antike Philosophie eine Renaissance, vor allem die platonische Vorstellung vom Kugelmenschen. Sie wurde zum Inbegriff der schicksalhaften Begegnung, zum Gründungsmythos der romantischen Liebe. Platon zufolge verrichten die einstigen Kugelmenschen – aus Angst vor Machtverlust von Zeus in zwei Hälften geteilt – all ihr Tun und Streben darauf, sich wiederzuvereinigen und ihre zweite, exakt passende Hälfte zu finden. 14
Die dritte Veränderung ist der seit der Aufklärung keimende Wunsch des Individuums, sich aus traditionellen Umklammerungen zu lösen. Die Partnerwahl wurde zum Schauplatz der Selbstbestimmung und die Liebesheirat zu einer Möglichkeit, »die Macht der Eltern, insbesondere der Väter, zu brechen« (Illouz). Gefühle waren zu etwas geworden, das einen zum Handeln verpflichtete. Die Liebenden begannen, sich das Recht auf Leidenschaft einfach zu nehmen – über jede moralische oder gesellschaftliche Ordnung hinweg. Eine gute Ehe war nun nicht mehr zuvorderst lukrativ, sondern freiwillig und gefühlsbetont: ein privater Schutzraum in einer sich rasant wandelnden Welt, in der die Tür zur Moderne mehr und mehr aufging.
Diese Vorstellung von Partnerschaftlichkeit, schicksalhafter Begegnung und Selbstbestimmung prägt unser Liebesverständnis bis heute. Vor allem die Popkultur steht liebesideologisch noch immer in dieser Tradition: Die ersten fünfzehn Minuten jeder Liebeskomödie handeln von der unwahrscheinlichen Begegnung zweier gegensätzlicher Hauptdarsteller: Eine Frau mit einem klapprigen Fahrrad fährt einen Mann in einem SUV an, und man ist sich fortan spinnefeind; eine traurige Braut springt von einer Brücke, und ein Mann, der zufällig Zeuge ist, rettet sie; eine toughe Karrierefrau trifft auf einen liebevollen Kindergärtner; oder ein tougher Karrieremann trifft auf eine liebevolle Kindergärtnerin. Das Muster ist immer das Gleiche: So unwahrscheinlich ein Zusammenkommen dieser zwei Figuren ist – am Ende überwinden sie jedes Hindernis, und die Schicksalhaftigkeit ihrer anfänglichen Begegnung ist der Gründungsmoment einer großen Liebe.
Auf einen Hollywoodfilm, in dem ein Single gezielt nach der Liebe sucht, sich beim Speeddating anmeldet, Online-Dating betreibt und an einer Single-Reise teilnimmt, wird man noch warten müssen. Gemäß der romantischen Schablone ist die Liebe etwas, mit dem man niemals rechnen kann, ein Tsunami der Gefühle, der sich im Leben Bahn bricht, ein Triumph, der gegen Hindernisse erkämpft werden muss.
Die heute Dreißig- bis Vierzigjährigen sind nicht nur die pragmatischen Designer ihrer Liebesbiografie. In ihren Herzen wohnen
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