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zwei Seelen: Einerseits sind sie unglaublich geschickt darin, das Projekt »Partnerwahl« gezielt anzugehen, und wissen, dass zur großen Liebe mehr gehört als Schmetterlinge im Bauch: Wesensähnlichkeit und jene Art von Harmonie, die ein Zusammenleben auf Dauer ermöglicht.
Doch gleichzeitig sind sie verliebt in den Gedanken der ultimativ romantischen Begegnung, in die Vorstellung, dass ein einziger Moment dazu in der Lage ist, das Leben aus den Angeln zu heben. Die meisten sind der festen Überzeugung, dass es »da draußen« die eine Person gibt, die perfekt zu ihnen passt, man muss sie nur aufspüren.
Sie wollen Schicksal mit Starthilfe. Kugelmenschensuche mittels Algorithmus. Sie rücken der alten Romantik mit neuer Pragmatik zu Leibe.
Wie verbreitet diese Schicksalssehnsucht ist, sieht man daran, wie Tausende versuchen, es Patrick Moberg, dem verliebten U-Bahnfahrer aus New York, nachzumachen. Es gibt etliche Anlaufstellen, an die sich moderne Romantiker wenden können, selbst der Zufall ist heute professionell organisiert: Seit Kurzem gibt es das Portal brizzl.de, wo man Menschen wiederfinden kann, mit denen man einen unvergesslichen Moment, zum Beispiel beim Bahnfahren, erlebt hat. Ein Augenaufschlag, ein Lächeln, eine verpasste Gelegenheit: Die Betreiber haben für das War-da-was-zwischen-uns-Gefühl gleich ein neues Wort erfunden: »Hat’s gebrizzlt?«, fragen sie auf der Startseite.
Ähnlich funktioniert Missed connections (»verpasste Verbindungen«) beim Kleinanzeigenportal Craigslist. Die Münchner Verkehrsgesellschaft hat » MVV Flirt« ins Leben gerufen, wo man Leute wiederfinden kann, denen man in Münchner U-, S- oder Tram-Bahnen begegnet ist, und auch für Sehnsüchtige in Berlin gibt es eine Anlaufstelle: »Meine Augenblicke« von der Berliner Verkehrsgesellschaft. »Wir haben uns angekiekt, als müssten Fragen gelöst werden« – schreibt Badboy_xd. Und die Anzeige von saunafrau lautet: »Haben uns in der Sauna im Stadtbad Neukölln gesehen. Wieder und wieder. Und gelesen. Und gelächelt. Später zufällig im U-Bahnhof Rathaus Neukölln. Hast nach mir geschaut und ich Dir zugewunken vom Bahnsteig. Meldest Du Dich?«
Bis zu zwanzig Inserate kommen täglich bei den »Augenblicken« der BVG hinzu – allen Wahrscheinlichkeitseinwänden zum Trotz. Denn der Gesuchte muss den Moment auch als magisch empfunden haben, und selbst dann ist nicht sicher, dass er ausgerechnet bei der BVG nach der entsprechenden Person sucht.
Natürlich kann man einwenden, diese Seiten seien wie alle anderen Partnerbörsen auch: Singles bieten sich – wenn auch unter dem Vorwand, einen bestimmten Menschen zu suchen – feil. Andere lesen ihre Gesuche, finden die Singles sympathisch und schreiben ihnen. Doch anders als bei Partnerbörsen wie elitepartner.de oder neu.de wird hier der Moment beschworen, in dem man eben nichts über den anderen weiß. Nicht die Hobbys kennt, nicht den Schulabschluss und nicht die Haltung zur Zukunft des Feminismus. Es geht allein um die »Ekstase der Begegnung«, wie es der französische Philosoph Alain Badiou formuliert.
Auch in analoger Form findet man Spuren solcher Nadel-im-Heuhaufen-Suchen. Sieht man genau hin, ist das Stadtbild vollgeklebt mit Sehnsucht. Die Zettel hängen an Stromkästen, Ampeln, in Cafés. »Hey, schöne Studentin, du hast hier neulich einen Cappuccino getrunken und mich angelächelt, ich möchte dich gern wiedersehen. Bitte melde dich«, stand auf einem Zettel, der bis vor Kurzem an der Ampel vor einem Straßencafé am Roecklplatz in München hing.
Die Zettel sind so schön, weil sie so banal sind, die Hoffnungen so groß, eben weil der Erfolg so unwahrscheinlich ist. Da spricht jemand zu Tausenden, aber gehört werden will er nur von einer Person. The one .
Was ich mich bei der Geschichte von Patrick Moberg und Camille Hayton immer gefragt habe: Was wäre gewesen, wenn Patrick bei ihrem ersten Treffen herausgefunden hätte, dass Camille beim Kuchenessen schmatzt? Und zuhause scheußliche Crocs trägt? Oder hat die Unwahrscheinlichkeit, Camille überhaupt gefunden zu haben, schon dafür gesorgt, dass er ausreichend verliebt war? Ging es um die Person oder ging es um die Idee, ein Mädchen »out of a million« aufzustöbern? Wahrscheinlich kann nicht einmal Patrick das sagen.
Nachdem er und Camille ein Paar geworden waren, hat der New Yorker Illustrator kaum noch über die Geschichte gesprochen. Er sagte, er wollte, dass sich die Leute ein eigenes Ende dazu
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