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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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das heißt, sie antworten so, wie sie meinen, dass es gesellschaftlich von ihnen erwartet wird: Couch-Potatos halten sich für Abenteurer, Mauerblümchen für Vamps – besonders in dem Zustand angetrunkener Kühnheit, Verzweiflung oder Euphorie, in dem sie sich eines Nachts anmelden. Sie geben an, keine verschlossenen Informatiker vom Land zu wollen – und klicken dann doch ständig welche an. Das ist die ironische Pointe der Küchenpsychologie: Wir meinen andere so gut einschätzen zu können, doch bei uns selbst versagen unsere Diagnosekünste.
    Schmale sagt, man beuge dem diagnostischen Problem sozialer Erwünschtheit natürlich vor, indem Charaktereigenschaften (»Wie gut können Sie sich an die Bedürfnisse anderer anpassen?«) nicht direkt abgefragt werden, sondern indirekt (»Wie reagieren Sie, wenn jemand in gemütlicher Runde zum Handy greift und telefoniert?«). Doch fast alle Online-Dater, mit denen ich für das Buch gesprochen habe, erzählen, diese Art von Fragen trotzdem durchschaut zu haben. Frank aus dem vorigen Kapitel, der seine Frau Anna bei Parship kennengelernt hat, sagte sogar, er sei drauf und dran gewesen, den Test noch einmal zu machen, um seine Ergebnisse gezielt in eine andere Richtung zu lenken.
    Die Objektivität der Selbstbeschreibung, anhand derer Kandidaten zusammengeführt werden, ist eine Utopie. Die internationalen Marktführer Match und eHarmony denken bereits um: Sie analysieren die Verweildauer auf bestimmten Profilen und matchen auch anhand des tatsächlichen Klick-Verhaltens, nicht nur anhand anfangs getätigter Aussagen und Selbstbeschreibungen. Revealed preference nennt Match das, »offenbarte Vorlieben«. Vor Kurzem hat man dort die »Täglichen 5« eingeführt, einen Service, bei dem jedem Mitglied pro Tag fünf Kandidaten vorgeschlagen werden, die theoretisch gut passen würden. Bevor man aber mit einem dieser fünf in Kontakt treten kann, muss man der Partnerbörse mitteilen, wie sehr die Auswahl den eigenen Geschmack trifft: »ja«, »nein«, »vielleicht« – so lernt der Algorithmus ständig dazu.
    Das Verfahren ist ein weiterer Schritt hin zu einer Partnersuche, die immer mehr dem Amazon-Prinzip folgt: Wenn Sie diesen Single gemocht haben, gefällt Ihnen auch dieser. Die Analyse vorhergehender Kaufentscheidungen mag bei Kochbüchern und Romanen von Martin Suter ja gut funktionieren, aber ist das menschliche Verhalten nicht weit komplexer? Woher soll der Algorithmus wissen, welche Eigenschaft des verschlossenen Informatikers vom Land ausschlaggebend war, dass man das eigene Beuteschema außer Acht ließ? Das weiß man ja meistens selbst nicht. Und auch wenn der Partnerbörsen-Algorithmus irgendwie errechnet, dass man den Informatiker nur angeklickt hat, weil er aus demselben Heimatdorf stammt wie man selbst: Wie soll daraus eine Regel werden?
    Vollkasko für die Liebe, oder: Ein neues Verständnis von Zusammenpassen
    Die Partnersuche ist heute nicht nur von Pragmatismus und dem Wunsch nach Effektivität durchzogen, sondern auch von einer nie dagewesenen psychologischen Professionalität: Ratgeber, Zeitschriften und Therapeuten bombardieren uns mit »wissenschaftlichen Erkenntnissen« und versichern, dass es für eine glückliche Ehe mehr braucht als zwei Hochzeitsringe von Tiffany’s und einen langen Atem: kompatible Persönlichkeiten. Nachgewiesene Ähnlichkeit ist zur Vollkaskoversicherung für die Liebe geworden.
    Ausgestattet mit psychologischem Halbwissen, angetrieben vom Streben nach dem Optimum, sind die heute Dreißigjährigen nicht nur überzeugt, irgendeinen zu finden, sondern den perfekt passenden Partner. Sie sind systematisch auf der Suche. Versiert im Aufstöbern. Geschult im Abchecken. Sie suchen nach Seelenverwandtschaft und finden Matchingpunkte. Sie wollen das Beste herausholen und machen aus dem Zusammenpassen eine wettbewerbsfähige Größe. Sie sind Herzstrategen in eigener Mission.
    Ich habe inzwischen mit vielen gesprochen, die meinen, das Geheimnis der Liebe oder zumindest der perfekten Partnerwahl entschlüsselt zu haben: mit dem TU -Studenten Andreas Reichert, der Gen-Matching in Deutschland etablieren will. Mit Gian Gonzaga von eHarmony, der Mensch gewordenen Datenbank zum Thema Beziehungen. Mit Hugo Schmale, dem »Erfinder« des Matchings in Deutschland. Und mit Friederike, die ihren Traummann so genau beschreiben kann, dass man glaubt, sie habe ihn längst gefunden.
    Es gibt eine Frage, die mir all diese Menschen nicht beantworten

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