Diesen Sommer bin ich dein
der Wahl Eurer Braut einen
schlechten Handel eingegangen seid, Ravensberg. Aber Ihr habt beschlossen, Euch
überstürzt zu verloben. Und Ihr werdet sie bei Gott gut behandeln, sonst werdet
ihr Euch vor mir verantworten müssen, solange das Grab noch auf mich wartet.«
»Darüber braucht
Ihr Euch keine Sorgen zu machen, Sir«, sagte Kit. »Ich liebe Eure Enkelin.«
Die Lüge entwich
gedankenlos, konnte aber nicht zurückgenommen werden. Und es war schließlich
keine so große Unwahrheit. Er hatte Lauren wirklich ungeheuer lieb gewonnen. Er
hatte die halbe vorige Nacht wach gelegen, über sie nachgedacht und sich
gewünscht, sie läge neben ihm im Bett, warm und entspannt an ihn geschmiegt
schlafend, wie sie es in der Hütte und auf der Insel getan hatte, und hatte
erkannt, dass irgendwann in der Zukunft gähnende Leere in sein Leben einkehren
würde, wenn sie ginge. Der Gedanke, sie tatsächlich zu heiraten, wurde für ihn
immer reizvoller. Der Wunsch, sie irgendwie davon zu überzeugen, ihn zu
heiraten, wurde immer dringlicher, einmal ganz abgesehen davon, dass sie von
ihm schwanger sein könnte.
Aber wie konnte er
sie zwingen, wenn doch anscheinend das größte Geschenk, das er ihr machen
konnte, die Freiheit war?
»Dann werdet Ihr
sie vor der schäbigen Wahrheit beschützen«, sagte Baron Galton, »wie ich es
getan habe. Wie der verstorbene Kilbourne und seine Countess und ihr Sohn es
getan haben. Wenn Ihr sie liebt, werdet Ihr ihr gegenüber niemals ein Wort von
dem erwähnen, was wirklich mit ihrer Mutter geschehen ist. Sie ist mit ihrem
Unwissen weitaus glücklicher.«
»Ja, natürlich, Sir.
Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie zu beschützen.«
Aber sie war nicht
glücklich, dachte er. Darin irrten sich alle diejenigen, die sie schon ihr
ganzes Leben lang liebten. Sie hatte Gehorsam und Vornehmheit und Milde
kultiviert, um den Schmerz darüber zu verbergen, ein von ihrer eigenen Mutter
ungewolltes Kind zu sein. Sie hatte sich zur vollkommenen Lady entwickelt, um
die Liebe ihrer Adoptivfamilie zu erringen - damit diese sie nicht auch
noch im Stich ließ. Sie glaubte, dass sich ihr Großvater nicht die Mühe hatte
auferlegen wollen, für sie zu sorgen. Sie glaubte - anscheinend zu Recht -,
dass die Familie ihres Vaters sie offen abgelehnt hatte.
Sie war nicht
glücklich. Sie lebte schon so lange hinter ihrer Maske - mindestens
dreiundzwanzig ihrer sechsundzwanzig Lebensjahre -, dass sogar
diejenigen, die ihr am nächsten und liebsten waren, diese Maske anscheinend für
die Realität hielten. Vielleicht war er der einzige Mensch auf dieser Welt, der
die begierige, lebenssprühende, das Lachen liebende, sinnliche, wahrhaft
wunderschöne Frau erlebt hatte, die die wahre Lauren Edgeworth war.
Aber es war
wirklich eine schäbige Geschichte. Unter den Umständen hatten ihr Großvater und
die Kilbournes vielleicht die richtige Entscheidung getroffen. Was würde es ihr
nützen, nun zu entdecken, dass ihre Mutter noch lebte, dass sie mehrere Männer
hatte?
Dass sie niemals
aufgehört hatte, ihrer Tochter zu schreiben?
Dass sie gewollt
hatte, dass Lauren bei ihr leben sollte?
»Nein.« Kit blieb
erneut stehen. Sie waren fast beim Haus angekommen. »Nein, Sir, ich kann Euch
nicht zustimmen. Lauren hat unter dem Unwissen gelitten. Sie würde auch unter
dem Wissen leiden. Vielleicht würde man ihr einen Gefallen tun, wenn man die
Wahrheit weiterhin vor ihr geheim hielte, sie beschützte, weil sie eine Lady
ist und stets ein beschütztes Leben gelebt hat. Aber das glaube ich nicht. Ich
glaube, sie hat das Recht, es zu erfahren.«
»Also wollt Ihr es
ihr sagen«, erwiderte Baron Galton eindeutig verärgert, »obwohl ich strengst
vertraulich mit Euch gesprochen habe?«
Kit erwiderte
seinen Blick offen. »ja, ich glaube, das werde ich, Sir, wenn ich keine andere
Wahl habe. Ich würde ihr nach unserer Hochzeit die Wahrheit sagen. Nicht
vorher. Aber ich bitte Euch, es zu tun. Ihr solltet ihr die Geschichte
erzählen. Sie braucht die Wahrheit. Ihr müsst sie ihr anvertrauen. Ihr müsst
sie befreien.«
»Befreien?« Der
alte Gentleman runzelte die Stirn. Er atmete ein, um noch mehr zu sagen,
schloss den Mund aber wieder.
»Bitte, Sir«, sagte
Kit sanft.
Kapitel 19
Lauren hatte
erwartet, dass der Tag vor dem Geburtstag der Witwe geschäftig wäre, da sie
versprochen hatte, der Countess bei den letzten Vorbereitungen zu helfen. Und
als sie später zurückdachte, staunte sie darüber, dass ein Tag so
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