Diesen Sommer bin ich dein
sie wider Willen enttäuscht, würden sie wieder am
Grosvenor Square sein, und sie müsste ihm klar machen, dass sie nicht weiterhin
das Objekt seiner Galanterie zu sein wünschte. Aber es gab eine Frage, die zu
stellen sie nicht widerstehen konnte, so ungehörig sie auch sein mochte.
»Warum habt Ihr
mich gestern Abend zum Tanz aufgefordert? Und warum nur mich? Ihr seid
unmittelbar danach gegangen. Warum habt ihr mir nach dieser einzigen Begegnung
Rosen geschickt? Warum habt Ihr mich gebeten, heute Nachmittag mit Euch
auszufahren?«
Oh, lieber Gott.
Mehr als eine Frage, und alle unverzeihlich unanständig. Und sie hatte viel
Zeit, dies zu erkennen und sich immer unbehaglicher zu fühlen. Zu unbehaglich,
um sofort zu bemerken, dass Lord Ravensberg die Karriole gewendet hatte, nicht
auf den Hauptweg, der in die Stadt führte, sondern auf einen Pfad, der tiefer
in einen weniger besuchten, dichter bewaldeten Bereich des Parks führte. Als
sie es bemerkte, war es zu spät, um zu protestieren. Das würde gewiss zu neuem
Gerede führen, dachte sie - zuerst hatte sie mit einem berüchtigten
Lebemann Walzer getanzt, dann war sie auf seinen Kutschbock gestiegen, und nun
ließ sie es zu, dass er ganz allein mit ihr davonfuhr.
»Vielleicht habt
ihr Euch in letzter Zeit nicht mehr in einem Spiegel betrachtet, Miss
Edgeworth«, sagte er schließlich.
»Aber es gab in
Lady Mannerings Ballsaal viele Frauen, die hübscher sind als ich. Und die
meisten noch dazu erheblich jünger.«
»Zu Eurer Jugend
kann ich nichts sagen«, erwiderte er, »aber zu Eurer Schönheit. Wenn Ihr nicht
erkannt habt, dass Ihr bei weitem die hübscheste Lady auf dem Ball wart, dann
habt Ihr Euch tatsächlich in letzter Zeit nicht mehr im Spiegel betrachtet.«
»Wie lächerlich.«
Sie hatte noch nie viel Geduld mit Schmeicheleien gehabt. Oder mit Ladys, die
nach Komplimenten fischten. Hatte sie dies gerade selbst getan? Wenn dem so
war, hatte er geschickt geantwortet. Die hübscheste Lady auf dem Ball, in der
Tat! Der Weg neigte sich zu einer Mulde hinab, die zu beiden Seiten von
riesigen Eichen begrenzt war, deren Zweige sich über ihnen fast berührten.
»Es sind natürlich
Eure Augen, die Euch einzigartige Schönheit verleihen.« Er blickte sie an. »Ich
habe niemals vergleichbare gesehen.«
Dies alles war
höchst unschicklich. Aber sie konnte es nur sich selbst vorwerfen.
»Ihr wusstet
vermutlich, wer ich war. jemand hat Euch auf mich aufmerksam gemacht. Ihr
wusstet, was mir letztes Jahr geschehen ist. War es also Neugier?«
Er warf ihr einen
durchdringenden Seitenblick zu. »Wie es ist, mit einer Braut zu tanzen, die am
Altar verlassen wurde? Ich hoffe, der Park von Newbury ist groß genug. Denn ich
vermute, Kilbourne treibt sich dort dauernd selbst mit der Peitsche im Kreis
herum, wegen seiner Torheit, aus einer momentanen Eingebung heraus eine andere
als Euch geheiratet und damit jede Chance vertan zu haben, Euch zu bekommen.«
Sie verachtete sich
selbst dafür, dass sie diese Worte trösteten. Sie hatte sich seit über einem
Jahr so ... unattraktiv gefühlt. »Nun, Ihr irrt Euch, Sir«, sagte sie. »Seine
Ehe mit der Countess war und ist eine Liebesbeziehung.« Sie fuhren in kühle
grüne Schatten hinein. Lauren senkte ihren Sonnenschirm auf den Schoß, ohne ihn
zu schließen.
»Und mit Euch wäre
es das nicht gewesen?« Erneut dieser rasche, durchdringende Seitenblick.
Lauren reckte das
Kinn empor und blickte streng geradeaus. Wie war sie hier hineingeraten? »Das
ist eine unverschämte Frage, Mylord.«
Er lachte leise.
»Ich bitte demütigst um Verzeihung, Madam. Aber Kilbournes Verlust ist mein
Gewinn. ich forderte Euch zum Tanz auf, weil mich der Pfeil Eurer Schönheit
selbst durch Lady Mannerings ganzen Ballsaal hindurch traf und mich zwang, Euch
kennen zu lernen. Ich schickte Euch Rosen, weil ich nach unserem Walzer nach
Hause zurückkehrte und dann die halbe Nacht wach lag und an Euch dachte. Ich
machte Euch heute Nachmittag meine Aufwartung und lud Euch ein, mit mir
auszufahren, weil ich begriffen hatte, dass Ihr mich den restlichen Sommer bei
Tag in meinen Gedanken und bei Nacht in meinen Träumen verfolgen würdet, wenn
ich es nicht täte.«
Laurens Augen weiteten
sich entsetzt, und als er verstummte, blickte sie ihn in sprachlosem Zorn an.
Für wie töricht leichtgläubig hielt er sie?
»Mylord«, sagte sie
mit all jener kühlen Würde, womit sie sich bereits den größten Teil ihres
Lebens gewappnet hatte, »ein Gentleman
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