Diesen Sommer bin ich dein
achtbaren, langweiligen Freunde
des Earls of Sutton, der beim Essen neben Lauren platziert wurde und den ganzen
Abend kaum von ihrer Seite wich. Es war in höchstem Maße unerträglich,
sechsundzwanzig Jahre alt, sozusagen eine sitzen gelassene Braut und das Objekt
aller wohlmeinenden Kuppelversuche mehrerer Verwandter zu sein.
Viscount Ravensberg
blieb nicht unerwähnt. Lord Sutton unterhielt die Gesellschaft mit einem
Bericht über die letzte skandalöse Eskapade des Viscounts. Er war am Vortag unangenehm
aufgefallen, als er mitten am Tag zwischen zwei Regenschauern in der Serpentine
im Hyde Park geschwommen war, wobei er nur - nun, der Earl bemühte sich
nicht, dieses Thema in der Anwesenheit von Ladys kunstvoll auszuführen. Lord
Ravensberg hatte fröhlich gelacht, als er aus dem Wasser gestiegen war und sich
in seiner vollkommen nachlässigen Kleidung gezeigt hatte - er hatte nicht
einmal seine Stiefel getragen! Dann hatte er sich auf spöttische Weise tief vor
Lady Waddingthorpe und Mrs. Healy-Ryde verbeugt, die, trotz der Kränkung,
Zeuginnen eines solch schockierenden Anblicks geworden zu sein, stehen
geblieben waren, um ihn pflichtschuldig zu belehren, dass er seinen Namen,
seine Familie und die Uniform entehrte, die er noch bis vor so kurzer Zeit getragen
hatte. Natürlich hatten sie die Geschichte keine Stunde später bereits
verbreitet, angefangen in Ladyjerseys Salon.
Der achtbare junge
Mann versicherte Lauren mit stillem, würdevollem Ernst, dass einige Gentlemen
diese Bezeichnung, nicht verdienten.
Während dieser
Woche wechselte Lauren Briefe mit daheim. Auch von Gwendoline, ihrer Cousine
und besten Freundin -ja sogar noch eher Schwester als Cousine oder Freundin
-, erhielt sie einen Brief. Sie waren zusammen aufgewachsen und fast ihr
ganzes Leben lang unzertrennlich gewesen. Gwen bezog sich auf einen Brief, den
ihre Mutter, die Duchess-Witwe, von Tante Sadie erhalten hatte.
»Offensichtlich
umgibt sie dich mit einem wahren Heer geeigneter Verehrer«, schrieb Gwen. »Alle
zweifellos achtbar und unmöglich langweilig. Arme Lauren! Gibt es jemand
Besonderen - jemanden, den du für geeignet hältst? Oh, ich weiß, du
willst keinen Beau, niemand Akzeptablen oder Ähnliches, aber .... gibt es
jemanden?«
Lauren konnte sich
das strahlende, schelmische Lächeln vorstellen, das beim Schreiben dieser
Zeilen um Gwens Lippen gespielt hatte. Aber natürlich gab es niemanden. Hofiert
er denn mit Absicht traurige Berühmtheit, fragte sie sich gedankenflüchtig.
Halb nackt in der Serpentine zu schwimmen - also wirklich!
Gwens Brief endete
mit einem in etwas dunklerer Tinte geschriebenen Satz, als hätte sie lange Zeit
am Schreibpult gesessen und die Feder immer wieder ins Tintenfass getaucht,
bevor sie ihn hinzugefügt hatte:
»Lily und Neville
sprachen heute Morgen im Witwenhaus vor, um die freudige Nachricht zu
überbringen, dass Lily ein Kind erwartet.«
Das war alles.
Keine Details. Keine Beschreibung, wie Lily vor Freude gestrahlt haben und
Neville vor Stolz fast zersprungen sein musste. Keine Beschreibung dessen, wie
Tante Clara vor Freude geweint haben musste, dass sie bald ihr erstes Enkelkind
im Arm halten würde - oder von dem Kummer, den Gwen bei der Erinnerung an
den Verlust ihres eigenen ungeborenen Kindes empfunden haben musste, bei einer
Fehlgeburt nach dem Reitunfall, der ihr auch eine dauerhafte Lähmung beschert
hatte.
Nur die reine
Tatsache, dass Lily ein Baby haben würde. Lily und Elizabeth - frisch
verheiratet, froher Erwartung und so glücklich, wie der Tag lang war. Während
Lauren plante, sich im Spätsommer in ihrem eigenen sehr einsamen,
altjüngferlichen Dasein einzurichten, und sich selbst einredete, das sei ihr
größter Wunsch im Leben.
Lily hatte ihrem
Vater die Neuigkeiten natürlich auch geschrieben. Lauren befand sich bei
Elizabeth im Damenzimmer, als er den Brief brachte, um seine Frau an dessen
Inhalt teilhaben zu lassen.
»Oh, ist es also
geschehen, Lyndon?«, fragte Elizabeth, die Hände auf den Busen gepresst. »Lily
war recht überzeugt davon, dass sie unfruchtbar sei.« Dann biss sie sich auf
die Lippen und blickte mit besorgtem Blick Lauren an.
Lauren lächelte mit
aller verfügbaren Herzlichkeit. »Ihr müsst sehr glücklich sein, Euer Gnaden.«
»Das bin ich
wirklich, Lauren.« Aber er lächelte kläglich. »Oder zumindest war ich es, bis
ich eben daran dachte, dass mich nun Ängste nicht nur um meine Frau, sondern
auch um meine Tochter plagen
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