Diesen Sommer bin ich dein
Clara besucht und eine Viertelstunde mit
ihnen verbracht. Sie hatten ihre Absicht geäußert, vor dem Tag der
Geburtstagsfeierlichkeiten erneut herüberzureiten. Anscheinend war ein
dauerhafter Streit vermieden worden.
Es war bestimmt an der Zeit, wieder hinauf
in den Salon zu gehen, dachte Lauren. Aber der Butler, der diskret durch ein
Fenster schaute, verkündete, dass sich eine weitere Kutsche über die Brücke
näherte.
»Vielleicht dieses Mal«, sagte die Countess
an den Earl gewandt, aber Lauren zulächelnd. »Setz dich, Mutter. Du musst vom
Stehen den ganzen Nachmittag über erschöpft sein.«
»Ich werde mich nicht ... hinsetzen«, sagte
die alte Lady. »Miss ... Edgeworth, reicht mir ... noch einmal ... Euren Arm.«
Aber Sydnam Butler trat vor und bot ihr
stattdessen den seinen an. Die neu angekommene Kutsche fuhr gerade vor, und der
Butler ging mit einem großen schwarzen Regenschirm hinunter, um den Gentleman,
der aus der Kutsche stieg, zu begleiten. Zwei Lakaien öffneten die Türen weit. Lauren
erzitterte von der Kälte des nassen, windigen Wetters draußen. Aber sie legte
wieder ihr freundliches Lächeln auf und machte sich bereit, noch einem weiteren
Mitglied von Kits Familie vorgestellt zu werden.
Und dann nahm der Butler den schützenden
Regenschirm fort und trat beiseite, während der Besucher über die Schwelle in
die Eingangshalle trat und sich erwartungsvoll umsah.
Vor Überraschung und Freude vergaß Lauren
einen Augenblick lang ihre berühmte Würde. Sie sprang mit ausgebreiteten Armen
auf den Gast zu.
»Großpapa!«
»Lauren! Da bist du ja, meine Liebe!«
Er umarmte sie, und sie atmete den
schnupftabakartigen, ledrigen Geruch ein, den sie stets mit ihm verband. Und
sie schluckte und blinzelte und versuchte vergeblich ihre Tränen
zurückzuhalten.
Er war gekommen.
Er war gekommen!
»Ich wusste es nicht«, sagte sie, nahm ein
wenig Abstand und schaute in sein runzliges, geliebtes, vertrautes Gesicht.
»Ich hatte nicht erwartet ...« Sie wandte sich mit tränenschimmernden Augen zum
Earl und zu Kit um. »Wer war es? Wessen Idee war das?«
»Meine«, sagte Kit. Er grinste. »Sobald
Mutter und Vater mich fragten, welche deiner Verwandten eingeladen werden
sollten.«
»Danke«, sagte sie und lächelte ihnen
nacheinander zu. »Oh, vielen, vielen Dank.«
»Bitte mach mich bekannt, Lauren.« Kit trat
vor und rief sie zur Pflicht.
Sie stellte sie einander vor, bei Baron
Galton - ihrem ureigensten Verwandten - eingehakt, ihr Herz vor
Glück überfließend. Sie hatten ihn zu ihren Verlobungsfeierlichkeiten
eingeladen, und er war den ganzen Weg von Yorkshire gekommen. Nur für sie!
Gewiss, weil er sie liebte! Und es war Kits Idee gewesen, ihn einzuladen und
sie auf diese Weise zu überraschen. Welch eine wunderbare Überraschung es war.
Erst als sie ihren Großvater etwas später
zusammen mi Kit die prächtige Treppe hinauf zu dem Zimmer führte, das für ihn
vorbereitet worden war, fiel ihr etwas wieder ein. Es war ihr
erstaunlicherweise, beängstigenderweise, ganze zehn Minuten lang vollkommen
entfallen.
Es war keine wirkliche Verlobung.
Kapitel 13
Lauren hatte den
restlichen sowie den ganzen nächsten Tag lang das Gefühl, dass sie vollkommen
glücklich gewesen wäre, wenn sie nicht ständig daran gedacht hätte, dass sie in
einer Lüge lebte. Sie verdrängte den Gedanken, so gut sie konnte. Sie hatte
sich die Verpflichtung auferlegt, genau das zu tun, was sie tat, und jetzt war
es zu spät, sich zurückzuziehen. Es wäre noch genug Zeit, sich mit ihrer Schuld
auseinander zu setzen, wenn sie die Täuschung beendet hätte.
Sie hatte sich die
Aufgabe gestellt, sich mit Kits Verwandten bekannt zu machen. Es war keine
schwere Aufgabe. Sie waren eine sich nahe stehende und grundsätzlich
freundliche Familie und durchaus bereit, Kits Verlobte in ihre Reihen
aufzunehmen und auch *zu ihrer Familie freundlich zu sein. Tante Clara wurde
von Lady Clifford und Mrs. Butler, Kits Tanten, sowie von Mrs. Vreemont mit
Beschlag belegt. Viscount Hampton, der Baron Galton von früher kannte,
erneuerte diese Bekanntschaft bereitwillig. Gwen wurde augenblicklich zum Liebling
des zahlreichen Nachwuchses von Baron Born, besonders für Frederick und Roger,
die bald um ihr Lächeln und ihre Aufmerksamkeit wetteiferten.
Und Lauren war
ohnehin jedermanns Liebling, vermutlich einfach deshalb, weil Kit ebenfalls
jedermanns Liebling war.
Der Streit mit
seiner Familie vor drei Jahren hatte seine Beziehung zu den
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