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Diesen Sommer bin ich dein

Diesen Sommer bin ich dein

Titel: Diesen Sommer bin ich dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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Eigentlich würde man keine Schlafprobleme bei ihm vermuten. Er
schien stets fröhlich und vergnügt. Aber sie wusste auch, dass seine äußere
Erscheinung auf mancherlei Art nicht der wahre Kit war. Sein Charakter hatte
Tiefen, die den meisten seiner Bekannten verborgen blieben.
    Was bereitete ihm
solche Sorgen, dass er nicht schlafen konnte?
    Es war, als hätten
ihn ihre Gedanken heraufbeschworen. Er erschien unter ihr auf der Terrasse, in
Kniehosen, Stiefeln und Reitjacke, statt der Abendkleidung, die er noch vor
einer Stunde getragen hatte. Er überquerte die Terrasse zum Wiesenrand und
blieb dort stehen, die Füße leicht gespreizt, die Hände hinter dem Rücken
verschränkt. Er blickte in die Dunkelheit hinaus und wirkte einsam.
    Vielleicht wollte
er einsam oder zumindest allein sein. Vielleicht schätzte er Zeiten wie diese,
wenn alle anderen vermutlich schliefen und er endlich eine Stunde der
Einsamkeit genießen konnte. Oder vielleicht hatte ihn die Schlaflosigkeit
hinausgetrieben, und vielleicht wurde diese Schlaflosigkeit durch sorgenvolle
Gedanken verursacht. Vielleicht war er müde, ruhelos, unglücklich. Vielleicht
brauchte er eine verwandte Seele, die ihm zuhörte oder mit ihm schwieg -
eine tröstliche Gegenwart.
    Oder vielleicht war
sie es, die Gesellschaft brauchte.
    Es wäre schrecklich
unschicklich, hinunterzugehen und sich zu ihm zu gesellen.. Selbst wenn sie
wirklich verlobt wären, wäre es vor der Hochzeit unschicklich. Aber sie wurde
der Schicklichkeit furchtbar müde, ihrer eigenen spröden Ergebenheit in eine
Lebensart, die nur das Korrekte achtete, nicht, was das Herz befahl. Vielleicht
war das Herz ein dürftiger und unzuverlässiger Ratgeber, doch kalte, blinde
Schicklichkeit war dies gewiss ebenso.
    Sie eilte in ihr
kleines Ankleidezimmer. Wenn er sie nicht wollte, könnte er sie fortschicken.
Sie würde ohnehin nicht lange bleiben. Sie würde nur eine Weile bei ihm stehen,
und sie würden reden. Vielleicht könnte er dann schlafen. Vielleicht könnte sie
es dann.
    Es war nicht
leicht, im Dunkeln den Weg die Treppe hinunter und durch die Eingangshalle zu
finden. Zumal sie befürchtete, dass er vielleicht einen anderen Weg hinaus
genommen hätte und sie die Türen verriegelt vorfände. Aber als sie den großen
Knauf einer der Türen drehte, öffnete sie sich mühelos, und Lauren trat auf die
Marmortreppe hinaus.
    Er war fort.
    Da war nur leerer
Raum, wo er noch kurz zuvor gestanden hatte. So viel zu ihrer Kühnheit, dachte
sie, während sie die Treppe langsam hinunterging, die Enden ihres Tuches über
der Brust gekreuzt. Er war fort. Aber noch während sie das dachte, sah sie ihn.
Er schritt über die Wiese in Richtung des Fahrwegs. Er ging recht schnell. Sie
zögerte einen Moment, bevor sie ihm folgte.
    »Kit.«
    Er war bereits auf
dem Fahrweg angelangt, nicht weit von der Brücke entfernt. Lauren rannte fast
übers Gras. Sie konnte die Nässe an ihren Knöcheln und am Saum ihres Kleides
spüren.
    Er blieb jäh stehen
und wandte sich zu ihr um, noch während sie dachte, sie hätte nicht laut genug
gerufen.
    »Lauren?«
    Er klang
überrascht. Auch ungehalten? Hatte sie das Falsche getan? Sie erreichte ihn nach
wenigen Momenten, blieb aber mehrere Fuß vor ihm stehen.
    »Ich sah dich durch
mein Fenster«, sagte sie. »Nicht zum ersten Mal. Konntest du nicht schlafen?«
    »Und konntest du
nicht schlafen?« Sie konnte an seinem Tonfall unmöglich erkennen, ob er verärgert
war oder nicht.
    »Ich dachte, ich
könnte dich begleiten«, sagte sie. »Ich dachte, es wäre vielleicht ...
tröstlich, Gesellschaft zu haben.«
    »Hast du
Schlafprobleme, Lauren?«, fragte er.
    »Manchmal«, räumte
sie ein. Früher war es nicht so gewesen. Aber die Verzweiflung nach ihrer
fehlgeschlagenen Hochzeit hatte ihr das Vergessen des Schlafes geraubt, nach
dem sie sich so sehnte, und dann war die Schlaflosigkeit zur Gewohnheit
geworden. Es war die Zeit, in der unbekannte Sehnsüchte sie am stärksten
plagten. Während des Tages konnte sie sich üblicherweise ausreichend
beschäftigen, aber nachts ...
    »Wir sollten zum
Haus zurückgehen«, sagte er. »Dorthin, wo ich gehe, würdest du nicht mitkommen
wollen.«
    »Wo ist das?«,
fragte sie.
    »Die Hütte eines Wildhüters
im Wald. Ich habe vermutlich zu viele meiner Erwachsenenjahre allein und unter
rauen Bedingungen verbracht. Ein zivilisiertes Zuhause, besonders eines, das
andere Menschen beherbergt, beengt mich. Ich habe das Gefühl, nicht frei atmen
zu

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