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Dieser graue Geist

Dieser graue Geist

Titel: Dieser graue Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Jarman
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hat Ihnen der Colonel nicht verboten, sich in der Öffentlichkeit zu tarnen?«
    »Der Feind ist hier«, sagte er. »Ich muss mich dem anpassen.«
    Ro schüttelte den Kopf. »Die Cardassianer sind nicht länger unsere Feinde – und die Ihren waren sie ohnehin nie. Ihre Völker dienten doch im Krieg Seite an Seite.«
    »Kennen Sie ihre Gedanken?«, fragte er.
    »Bajoraner sind keine Telepathen, falls Sie das meinen«, antwortete sie und hoffte, ihn damit zumindest so weit zu verwirren, dass er das Thema fallen ließ.
    Doch Taran’atar schien ihren Unwillen nicht wahrzunehmen. Oder ignorierte er ihn? »Besitzen Sie Wissen über ihre Ziele, ihre Strategie?«, beharrte er.
    »Ich nehme an, sie wollen sich mit Premierminister Shakaar treffen. Abgesehen davon: nein. Ich habe mich weder in ihre Datenbank gehackt, noch ihre Unterhaltungen belauscht.«
    »Dann sind sie der Feind. Das Unbekannte ist immer der Feind, Lieutenant.« Er klang, als könnte es darauf keine Erwiderung geben.
    Und so radikal sein kalter Pragmatismus in diesen »aufgeklärten« Zeiten auch anmuten mochte, konnte Ro nicht umhin, ihm innerlich zuzustimmen. Die meisten ihrer Maquis-Freunde waren von Cardassianern abgeschlachtet oder von der Sternenflotte verhaftet worden. Doch sie stand hier – dank der Gnade einer unbekannten Macht, die Propheten zu nennen sie sich strikt weigerte – in einer bajoranischen Uniform, lebendig, frei und körperlich ohne Narben. Mit einem Lebenslauf wie dem ihren lernte man automatisch, keinen Rettern zu trauen. Eigentlich sogar niemandem.
    »Bis eine Entscheidung fällt, sind alle Möglichkeiten real«, fuhr Taran’atar fort, als wäre ihr Schweigen eine stumme Zustimmung. »Bis die Wahl getroffen wird, muss der Stratege auf jeden erdenklichen Ausgang vorbereitet sein. Nur so sichert er sein Überleben.«
    Ro spielte Opposition. »Bajors Chancen auf einen friedlichen Ausgang sinken, wenn die Cardassianer glauben, wir locken sie in eine Falle.«
    »Lieutenant, es wäre naiv von Ihnen, zu glauben, dass sie Sie nicht in eine locken.«
    Eine sanfte Stimme kündigte ihre Ankunft auf dem Promenadendeck an. Bevor Ro den Lift verließ, sah sie noch einmal zum Jem’Hadar. »Haben Sie hier eigentlich etwas zu tun? Oder spionieren Sie nur unschuldigen Zivilisten nach?«
    »Dieser Ort interessiert mich nicht. Ich werde dem Colonel später meine Beobachtungen schildern.«
    Bestimmt würde er sich bald wieder tarnen. Wie kam er dazu, eine glatte Befehlsverweigerung so unbekümmert abzutun? Taran’atar brach gleich ein Dutzend der ihm von Kira aufgetragenen Regeln. »Wenn ich nachher mit ihr spreche, werde ich sie über Ihre Aktivitäten hier unterrichten«, drohte Ro und fühlte sich wie die petzende große Schwester.
    »Glauben Sie, ich hätte mich Ihnen gezeigt, wenn ich den Colonel nicht informiert wissen wollte?«
    Na super. Jetzt lässt er mich wie eine Idiotin aussehen. Als sich die Tür des Lifts hinter ihr schloss, war Ro regelrecht dankbar, nichts über die nächsten Schritte des Jem’Hadars zu wissen. Einerseits gefiel es ihr, dass endlich jemand Erfahrung vor Höflichkeit setzte, andererseits ärgerte sie sich, dass ihr der Mut gefehlt hatte, Taran’atar darin zuvorzukommen. Während sie durch die Menge der Passanten zu ihrem Büro ging, dachte sie über seine Worte nach. Das Unbekannte ist immer der Feind, so hatte er gesagt. Waren die Cardassianer Unbekannte? Andererseits: Alles, was sie über sie wusste, ließ sie als Feinde dastehen.
    Ro hatte die Schwelle zum Büro kaum überquert, da drückte ihr Sergeant Etana einen Stapel Berichte in die Hand. Sie merkte es kaum. Die Wogen ihrer Empfindungen zu glätten, war schwieriger als der Kampf gegen ein vicarianisches Wildschwein. So ungern sie es sich auch eingestand, hatte Taran’atar ihren Zweifeln eine Stimme gegeben, obwohl ihre Ausbildung und all die Jahre in der Sternenflotte ihr jegliche Xenophobie hätten austreiben müssen. Ro schlafwandelte nahezu zu ihrem Schreibtisch, setzte sich und rief sich ihre Arbeitsdaten auf.
    Innerlich seufzte sie, während sie die Liste der eingegangenen Meldungen überflog. Was als dringend markiert war, öffnete sie, der Rest wurde gespeichert. Für später, wenn sie in besserer Stimmung war. Die Föderation propagierte den alten Spruch vom Vergeben und Vergessen, aber Ro konnte das nicht. Dafür hatten ihre Gegner schlicht zu selten ebenso freundlich reagiert. Selbst der große Diplomat Jean-Luc Picard war mitunter übertölpelt

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