Dieser graue Geist
worden, weil er geglaubt hatte, nur weil er die Wahrheit sagte, müsse sein Gesprächspartner das ebenfalls tun. Schon während ihrer ersten gemeinsamen Mission hatte Ro diese gefährliche Seite an ihm bemerkt. Und bei ihrer letzten hatte sie sie ausgenutzt, oder etwa nicht?
Was für ein seltsamer Tag dies doch geworden war! Ein gedanklicher Schulterschluss zwischen einem bajoranischen Lieutenant und einem Jem’Hadar-Soldaten – vor einem Jahr hätte sie sich das nicht einmal vorstellen können. Das Unbekannte war der Feind, bis zum Gegenbeweis. Und diesen blieb ihr die Gruppe von Gästen bisher schuldig.
Ro rief sich Langs Datei auf, um sie auf den neuesten Stand zu bringen, und hörte im Geiste die trällernde Alt-Stimme der Cardassianerin. Das Bild auf dem Monitor wurde Langs Intellekt, ihrer grazilen Art und ihren Hoffnungen für die Zukunft ihres Volkes nicht gerecht.
Ro würde lügen, wenn sie behauptete, die kurze Unterhaltung mit Lang nicht genossen zu haben. Nach nur ein paar Minuten mit der Botschafterin war sie bereit gewesen, ihre Definition der Cardassianer als berechnende, grausame Wesen um eine Ausnahme zu erweitern. Lang hatte Humor, und sie hinterfragte die nahezu kritiklose Treue, mit der ihr Volk politischen, ethischen und religiösen Vorgaben folgte. Ihre Kritik an den Cardassianern ähnelte Ros Ansicht über die Neigung der Bajoraner, jeden Erlass der Vedeks ohne Gegenwehr und Frage anzunehmen. Je länger Ro über Langs Einstellung nachdachte, desto mehr musste sie nicken. Und desto weniger dachte sie daran, dass dies die Einstellung einer Cardassianerin war.
In einem Moment der Impulsivität, kurz bevor sie die Cardassianer in ihre Unterkünfte verabschiedet hatte, hatte Ro Lang gefragt, ob sie sich ihr nicht nach dem Abendessen auf ein Getränk im Quark’s anschließen wollte. Sie war neugierig, wie Quark auf die Anwesenheit seiner alten Flamme, elegant und grazil wie eh und je, reagierte. Aber tief im Innern hoffte sie auch, mit diesem Treffen ein für alle Mal den bitteren Beigeschmack des Misstrauens abzulegen. Für sich, für Taran’atar und für alle, die in Ignoranz und Argwohn lebten.
Ratsmitglied Charivretha zh’Thane bemühte sich, zu wirken, als hörte sie dem bajoranischen Handelsminister aufmerksam zu. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung konnte sie sich eigentlich mühelos konzentrieren, doch Minister Krens monotone, nasale Stimme verlangte ihr einiges an Selbstbeherrschung ab. Um nicht unhöflich zu wirken, gestattete sie sich keinen Blick auf das Chronometer; doch wie sie schätzte, erging sich der Minister nun schon seit zwei Stunden in den Details der Handelsbeziehungen zwischen Bajor und nicht föderalen Welten, und seine Vorschläge zum Erhalt dieser Beziehungen über Bajors Föderationsbeitritt hinaus würden sicher weitere zwei Stunden verschlingen. Vielleicht sollte sie Asarem Wadeen, die Vizepremierministerin, die Bajors Finanz- und Handelspolitik übersah, diskret darum bitten, dass Kren seine Bemerkungen in Zukunft schriftlich vorbrachte. Charivrethas etwa zwei Dutzend Kollegen schienen den Worten des Redners allerdings konzentriert zu folgen. Wirkte sich die Kombination aus Krens Wesen und seiner Stimmlage auf Charivrethas andorianische Sinne etwa anders aus? Sie bezweifelte es, sah sie doch Seljin Gandres, den Abgesandten der Trill und Vorsitzenden dieser Zusammenkunft, friedlich dösen. Und normalerweise konnten Gandres nicht einmal Pakleds erschüttern!
Charivrethas Antennen signalisierten ihr die Anwesenheit ihres Attachés. Thanis’ ruhige Energiemuster stachen in diesem Raum regelrecht hervor. Er flüsterte etwas in ihr Ohr, trat zurück und wartete auf ihre Erwiderung. Verdammt , dachte sie. Wegen meiner privaten Umstände arbeiten wir schon auf der Station und nicht auf Bajor. Wenn ich jetzt um weitere Gefallen bitte, führt das zu neugierigen Fragen, die ich lieber vermeiden würde. Aber die Situation lässt mir keine Wahl. Sie hob ihr Schild und bat den Vorsitz so um das Wort.
Und Gandres reagierte, sichtlich dankbar für ihre Unterbrechung. »Verzeihen Sie, Minister Kren. Ratsmitglied zh’Thane bittet um einen Zwischenruf.«
»Ich wurde soeben über eine Entwicklung privater Natur unterrichtet«, sagte Charivretha, »und bitte darum, mich für den Rest der Sitzung, das Einverständnis des Vorsitzes vorausgesetzt, entfernen zu dürfen.«
Gandres betätigte die Glocke vor sich auf dem Tisch. »Der Vorsitz ruft eine Pause für alle Delegierten
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