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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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Und wenn ich abgeworfen werde, na, dann wird der Boden mich auffangen wie ein großer, freundlicher Baseball-Handschuh …
    Unglückseligerweise kam von allen hinter ihr lautes Gebrüll – von Jeff, Suzi, Martin und Carina. Sie gaben ihr Ratschläge (»Zügel anziehen, Zügel anziehen!«), brachten Entsetzen zum Ausdruck (»O mein Gott!«) oder feuerten sie an (»Los, Tante Lia, zeig’s ihm!«). Dieser Aufruhr aber lockte Horsy Stout aus dem östlichen Stalltor hervor. Krummbeinig kam er auf die Weide herausgerannt. Er befürchtete offensichtlich, daß Ubiquity mit einem Koppelzaun kollidieren werde, und wedelte mit beiden Armen.
    »Es ist okay!« schrie Lia. »Gehen Sie nur aus dem Weg!«
    Das Pferd wollte sie ängstigen. Dieses ›Durchgehen‹ hatte nur den Zweck, das arme Weib auf seinem Rücken in Panik zu versetzen. Nun, sie hatte auf einem der alljährlich zu den ›Pioneer Days‹ stattfindenden Rodeos in Snowy Falls, Colorado, schon ein gemeineres Biest geritten – nicht bloß genauso überspannt, sondern auch von angeborener Niederträchtigkeit –, neben Buckshot war Ubiquity eine Miezekatze. Wenn Horsy bloß zur Seite springen würde. Wenn er bloß nicht versuchen würde, den Helden zu spielen, weil er glaubt, daß ich verzweifelt einen nötig habe …
    Aber je näher Ubiquity und sie dem Stall kamen, desto erregter wurde der Zwerg. Jetzt rannte er ihnen entgegen, und als das Vollblut an dem muskulösen kleinen Mann vorüberfegte, langte Horsy hoch, packte Lias Bein und zog sie aus dem Sattel. Verflucht und zum Teufel! dachte sie, prallte empfindlich auf die Schulter und rollte sich zugleich in eine sitzende Stellung. Sie rechnete fest damit, Horsy irgendwo neben sich auf dem nassen Boden zu finden. Es würde angenehm sein, ihm für seinen Rettungsversuch zu danken, aber noch angenehmer, ihm zu sagen, daß seine Bemühungen völlig unnötig gewesen waren.
    Dann sah sie, daß Ubiquity südwärts am Koppelzaun entlang galoppierte, den am Steigbügel verhakten Zwerg hinter sich herschleifte und ihn an jedem der vorstehenden Zaunpfähle abprallen ließ. Eigentlich sah sie nur seinen Unterkörper, den Wirbel seiner Bluejeans, die inmitten des mixerhaften Wirbels von Ubiquitys vier Beinen rotierten, und ein schockierendes weißes Blitzen von einem Hemdschoß. Wie er da um die Zaunpfähle gepeitscht wurde – jeder Pfahl ein neuer Schmerz –, war es schwer vorstellbar, daß er überleben würde.
    Dumm, dumm, dumm.
    Lia sprang auf und rannte am Zaun entlang, hinter Ubiquity und Horsy Stout her. Auch Jeff kam herangeritten, und plötzlich, nach einem halsbrecherischen Galopp um die äußere Ecke der Koppel lief Ubiquity aus, blies eine schleimige Blase aus einer lodernden Nüster und begann nonchalant am Gras zu knabbern. Der Zwerg hing wie ein formloser Leichensack, aus dem Blut rann, am linken Steigbügelriemen. Lia hörte auf zu rennen, und Jeff lenkte sein Pferd zur Seite. Der Galopp am Zaun entlang hatte Horsy fast alle Knöpfe vom Hemd gerissen und ihn zerfleischt wie eine neunschwänzige Katze.
    Lia näherte sich und kniete nieder. Mit einer einfachen Drehung des Steigbügels war er befreit, und er sackte ins Gras. Lia gab Ubiquity einen Schlag auf den Schenkel, um ihn fortzutreiben, und streckte sich dann neben dem Zwerg aus, um sein schmerzerfülltes Gesicht zu betrachten.
    »Das hätten Sie nicht zu tun brauchen«, sagte sie.
    »War mir ’n Vergnügen«, brachte Horsy Stout hervor.
    »Sie haben sich ohne Grund umgebracht.«
    »Bin ja nicht tot. Sterbe auch nicht. Nein, ich …« – ein verzerrtes Lächeln – »ich gehe auf Reisen, Ma’am.«
    »Ja? Auf Reisen? Wohin, Horsy?«
    »Weiß man nich’ immer. Vielleicht zum Mond.«
    Er deliriert, dachte Lia. »Na, dann grüßen Sie Cal von mir.«
    »Ich bin’s nicht, der da sein wird. ’s mein Engel. Mein Pilot.«
    »Dann soll der ihn grüßen.«
    »Bin nicht richtig angezogen zum Reisen, Ma’am. Schauen Sie doch – ganz blutig.«
    »Sie sehen prima aus, Horsy. Sie sehen ganz prima aus.«
    »Knöpfen Sie mir das Hemd zu, Miss Lia.« Horsy spähte an seiner Nase hinunter auf seine zerfleischte Brust. »Damit der Anstand gewahrt bleibt.«
    Vielleicht stirbt er ja nicht, dachte Lia, aber das klingt wie eine letzte Bitte. Sie zog das Hemd unter ihm hervor und knöpfte den letzten verbliebenen Knopf zu. Dann löste sie behutsam die Fischbrosche vom Schulterstück ihres Westernhemdes und schloß damit Horsys Hemd unter dem Kragen.
    »Danke, Miss Lia«,

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